Über mein Jahr an der Meisterschule in Stuttgart

von Thomas Müller

Rückblickend ist es mir ein Rätsel, wie ich dieses Jahr überhaupt gemeistert haben kann, wenn ich mich nun an dem Artikelchen für Euch so herumbasteln sehe. Schließlich bedeutete der Schulbesuch in Stuttgart auch enorm viel Schreiberei. Allerdings ging es dort eher darum, eilig von Lehrerhand via Projektor an die Wand geworfenes, flink und schnellst möglich in mein Heft, das zu einem umfangreichen Werk anwachsen sollte, zu übertragen, um evtl. noch etwas von der parallel zur schriftlichen Hetze dargebotenen mündlichen Erläuterung aufzuschnappen. Nach einigen derartigen Unterrichtseinheiten verwende ich sogar Gedanken darauf, mittels welchem Schreibgerät wohl am meisten Schriftzeichen pro Zeiteinheit auszuführen wären, ohne von einer sich schnell von der rechten Hand ausbreitenden Erschöpfung befallen zu werden. In dieser Überlegung steckte übrigens, wie sich zeigen sollte, eine gehörige Portion Prüfungsrelevanz. Denn , noch niemals habe ich so schnell und so viel wie während der schriftlichen Prüfung zu Papier gebracht. Also konnte ich mir nach diesen Erfahrungen im theoretischen Unterricht ausmalen, daß das kreative Moment wohl im Werkstattunterricht anzutreffen sei. Aber dort drückte immer mächtiger eine, ich möchte mal sagen, sportliche Komponente durch. Das Motto beim Drehen lautete: "Höher, weiter, schneller..." Die Latte war durch die vorgegebenen Mindestmaße der Meisterstücke hochgelegt und erforderte entsprechendes Training. Z.B. war der sich über das Schlagen immer gewaltigerer werdender Tonmengen erstreckende Anlauf schon dermaßen kräftezehrend, daß der Sprung in Richtung erwähnter, etwas hoch liegender Latte bereits im Zentrieren stecken blieb! Im Zentrieren des zerhätschelten und mit zu hohen Erwartungen befrachteten Tonhubels. Statt den stattlichen Meisterkrügen und -schalen entstanden so nur allzu oft ermüdete Athleten in einer Schlickerpackung.

Beim Glasurenmischen (schwäb.: "mixe") konnte der Vorgang eben dieses Mixens und Probeblättchenglasierens über ganze, dieser Tätigkeit gewidmete Nachmittage die Hoffnung auf erfreuliche Resultate nähren. In der darauffolgenden Nacht wurden aber die Ergebnisse hinter verschlossener Ofentüre, allein im Beisein von Segerkelgeln ausgewürfelt. Während ich selbigen Nächten schon den Topas (Härte 8!) milde zu stimmen versuchte, bevor er am nächsten Morgen über meine Glasurplättchen urteilen sollte.

Wenigstens solange der nasse Glanz den Werkstattboden und die Arbeitsflächen schimmern ließ, war das Putzen der Arena eine jener Verrichtungen, die mir ein sofortiges Erfolgserlebnis vermittelten. Besonders nachdem außer einer ergiebigen Schlickerproduktion an der Scheibe nichts erreicht wurde und obendrein der Ofen nur ungeglückte Versuche meiner Bemühungen in Sachen Glasurentwicklung offenbarte. Leider wollten auch die Mißerfolge sauber aufgeklebt und dokumentiert werden.

Hingegen echt aufmunternden Charakter hatte die zweisame Arbeit im Tonkeller: Ausgestattet mit einer Schlüßelgewalt, die sonst nur der Hausmeister und Lehrer innehaben, war sogar der Aufzug einem Untertan, um die beträchtlichen Mengen an Rücklauf in den Keller zu schaffen, von wo natürlich alles wieder in Form von herrlich ordentlichen Tonstangen emporgefördert wurde.

"Hesch's Vakuum uffgmacht ?"

Bleibt mir nur noch, mit großer Verblüffung festzustellen, daß außer ein paar geflügelten Worten, wie WAF, TBF, tendenziell, Pfefferkorn... das meiste schon wieder verblaßt ist. Ob es sich nun im einzelnen um das kalktreiberartige respektive kalkspatziöse Phänomen handelt, wodurch das angeeignete Wissen , wird es der Luftfeuchtigkeit ausgesetzt, quasi abgesprengt wird, oder, so vermute ich, führte wahrscheinlicher eine zu hohe Druckspannung , die sich während des Jahres aufbaute zu Abplatzern... Auf jeden Fall darf ich froh über die im Unterricht angelegten Unterlagen sein und nicht zuletzt darüber, daß meine Familie trotz Rissebild während des Jahres in Stuttgart nicht abgeplatzt ist.