kalkspatz Töpferblatt Oktober '96

Die gute Lehre

von einem Anonymen

Mein Name tut nichts zur Sache - nur soviel sei über mich gesagt: ich bin froh, eine ordentliche Lehre in einem deutschen Innungsbetrieb inklusive fundierter theoretischer Berufsschulausbildung absolviert zu haben - nicht umsonst! - nichts ist umsonst, alles hat seinen... nun aber genug.

Nach meiner Ausbildung habe ich mich um eine Stelle bemüht. Quasi um mich weiterzubilden, in einem anderen Betrieb! So kam ich zu der Firma X, anfangs war ich nur positiv überrascht.. Die Lohnverhandlung lief besser als irgend ein Töpfer es nur erträumen kann. Ohne zu Zögern wurde meine verwegene Bitte um 17.- DM brutto (ich hatte die Prüfung gerade 3 Monate hinter mir!) angenommen und ich hatte sogar das Gefühl, daß mein zukünftiger Chef sich noch freute, mich anstellen zu können, und daß ich für das Geld dort arbeiten würde. Mir war von vornherein klar, daß der Stil des Betriebes nicht unbedingt nach meinem Gusto war, aber die große Auswahl hatte ich leider nicht. Die Keramikabteilung ist auch nur ein kleiner Zweig dort, um nicht zu Sagen ein Ästchen. Die Leitung hat ein Ofensetzer, der, sichtlich erfreut über die Hilfe einer vermeintlichen Fachkraft, mir viel Vertrauen entgegenbrachte. Die Arbeit wurde dort von einem Angestellten ausgeführt, der von jemandem angelernt wurde, der wiederum von jemandem angelernt wurde, der sich als Autodidakt mit Keramik beschäftigte. So ist es nicht verwunderlich, was ich dort zu sehen bekam. Als erstes bemmerkte ich, daß dort ein enormer Verschleiß an Gipsformen war. Meine erste Aufgabe war geboren. Gipsformen herstellen - "Spring über deinen Schatten" sagte ich mir "so schlimm ist der Gips nun auch wieder nicht" -

Aber zuerst zum Ausformen: Da die Simse meist untergriffig waren, und eigentlich gar nicht ganz herausgehen würden, hat man die Form umgedreht und auf eine Latte geschlagen, bis entweder die Form oder der Formling (sprich Kachel) aufgab. Half alles nicht, wurde mit einem Messer ("Oh Graus: mit dem Messer geht man nicht an die Gipsform!!!"dachte ich) so lange gebohrt und geschnitten, bis doch endlich eine Trennung von den beiden möglich war.

Die Formen sahen dementsprechend aus, aber ich hab' es mir eh gedacht, daß alles was man in der Schule lernt nur Unsinn ist. Nichts desto trotz machte ich meine Gipsformen ohne Untergriffe und wo nötig sogar zweiteilig. Nun wurde ich von meinem bosnischen Mitarbeiter "Spezialist" genannt und alle waren von den Möglichkeiten begeistert.

Ein weiteres Problem stellten für den Ofensetzer die Brennplatten dar. Es war immer eine Heidenarbeit die Glasur von den Platten zu flexen. Dies sollte sich ändern, als ich einführte, die glasierten Sachen vor dem Einsetzen an der Standfläche abzuwischen. Aber ein letztes mal mußte man trotzdem noch flexen. Und da ich nur 30 Std. die Woche arbeitete, machte der Ofensetzer eine Aktion am Wochenende, von der ich noch nie vorher was gehört hatte. Aber man lernt doch immer was neues dazu. Er schlichtete die abgeflexten Cordieritplatten aufeinander, ohne Zwischenraum, in den Brennofen und brannte sie bei 1250 - 1300°C "sauber" (ein echter Ofensetzer halt, ist der Ofen verrußt hilf nur eins...). Überrascht war er schon, daß ich ihn, als er es mir erzählte, fragte, ob sie noch ganz sind. Es waren tatsächlich einige gesprungen, und ein paar waren auch zusammengeklebt. Wahrscheinlich die flüchtende Irdenwareglasur?!

Es gab noch etliche Beispiele, die mir klar machten, daß meine ganze Lehrzeit in Frage gestellt wurde. Es geht doch auch ohne dem ganzen Zeugs, was ich in den letzten drei Jahren mitbekam, oder ....?


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