kalkspatz Töpferblatt Juli '96
Zum Thema: wie komme ich in die Handwerksrolle, ohne etliche tausend Mark und Jahre an Zeit für die Meisterprüfung investieren zu müssen:

Ausnahmebewilligung

Nach § 8 Handwerksordnung kann man eine Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle beantragen, wenn a. ein Ausnahmefall vorliegt, d.h. die Ablegung der Meisterprüfung eine unzumutbare Belastung wäre und b. die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen werden.
Vor der Novelle der Handwerksordnung wurde dieser Paragraph meistens sehr restriktiv zuungunsten der Antragsteller ausgelegt. Der Ausnahmefall wurde nur selten anerkannt und wenn, wurde die nachträgliche Ablegung der Meisterprüfung innerhalb weniger Jahre verlangt.

"Mit der novellierten Handwerksordnung gibt es auch Erleichterungen bezüglich der Anerkennung von Ausnahmegründen, wenn jemand die Eintragung in die Handwerksrolle nach § 8 HwO begehrt. Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat nun hierzu Grundsätze formuliert: § 8 Abs. 1 Satz 2 HwO reduziert die Prüfung der Unzumutbarkeit (früher wesentlicher Ausnahmegrund) der Prüfungsablegung auf den Zeitpunkt der Antragstellung oder danach. Das heißt, daß es auf die zurechenbare Unterlassung der Meisterprüfung in jungen Jahren für die Annahme eines Ausnahmefalles nicht mehr ankommt.
Einem Antragsteller, der zum Zeitpunkt der Antragstellung das 56. Lebensjahr erreicht hat, ist die Ablegung der Meisterprüfung nicht mehr zuzumuten. Beim Nachweis der notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sind insbesondere gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 die bisherigen beruflichen Erfahrungen und Tätigkeiten des Antragstellers zu berücksichtigen. In diesem Rahmen kommt es nicht mehr darauf an, ob der Antragsteller Arbeiten unbefugt, d.h., ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein, ausgeführt hat. (Nieders. OVG, Urteil vom 29.4.1994 - 8 L 4749/93-)"

Das wurde einer Handwerkszeitung entnommen, die dann noch hinzufügt " In der Sachkundeprüfung wird es sich dann erweisen, ob das behauptete berufsbezogene Wissen und Können vorhanden ist." Was im Klartext heißt, das die Innungen diese Prüfungen natürlich am liebsten so scharf machen würden, daß sie einer Meisterprüfung entsprechen würden - was aber nicht sein darf. Es handelt sich lediglich um eine sogenannte Beweisaufnahme. Und glücklicherweise ist auch nicht die Handwerkskammer dafür zuständig, sondern eine Verwaltungsbehörde (je nach Bundesland verschieden). Daß die Handwerkskammer als Interessenvertretung der etablierten Hanmdwerker versuchen wird ihre Finger im Spiel zu behalten, ist in der Praxis wohl der Normalfall. Auf Auseinandersetzungen mit dieser Institution muß man sich einfach gut vorbereiten.

Daß der letzte Absatz des Urteils ein Bonbon ist, ist wohl jedem klar, der schon seit einigen Jahren versucht, sein Handwerk ohne Meisterprüfung auszuüben. Endlich kann man das, was man so am Rande der Legalität geschaffen hat, auch offiziell als Teil der Kenntnisse und Erfahrungen vorweisen!

Es würde mich brennend interessieren, ob und welche Erfahrungen Töpferblatt-Leser mit dieser neuen Ausnahmebewilligung haben. Ich bitte um Kontaktaufnahme!

Günter Haltmayer
17194 Klein Luckow Nr. 14


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