Der Krimi von Dießen


Arthur Sudau: „Man muss das psychologisch sehen!“

Ein Lehrbeispiel abendländischer Diskussionskultur…
von Christian Sautier


Vorneweg: Die Wahrnehmung ist immer subjektiv. Deshalb behauptet der Berichterstatter auch nicht, hier die absolute Wahrheit über die Ereignisse Anfang Juni dieses Jahres wiederzugeben. Jeder hat in den Dießener Markttagen etwas anderes aufgeschnappt, sich erzählen lassen, gar selbst verbreitet. Manchem mag auch die Phantasie oder paranoides Wahnerleben einen Streich gespielt haben. Die zitierten wörtlichen Reden entstammen dem Gedächtnis und nicht einer Tonbandaufnahme oder Mitschrift. Andere mögen die Ereignisse ganz anders wahrgenommen haben.

 

Ein Thema beherrschte den diesjährigen „süddeutschen“ Töpfermarkt in Dießen: Wie und unter wessen Leitung wird es im nächsten Jahr weitergehen? Was dann als nettes Töpferfest am Samstag Abend geplant war, wurde zur ganz heissen Diskussionsnacht. Aber beginnen wir erst noch mal ganz von vorne…

Was bisher geschah:
Die schöne Marktgemeinde Dießen am Ammersee wurde über Jahrzehnte zu Christi Himmelfahrt von einem ganz speziellen Völkchen heimgesucht – den „Flying Dutchman“-Seglern, die sich hier alljährlich zur großen Regatta trafen. Das ist zwar heute immer noch so, aber bekannt ist Dießen zur Himmelfahrtszeit inzwischen durch ein völlig anderes viertägiges Großereignis:

Seit 23 Jahren betreibt der Keramikfreund und -sammler Arthur Sudau in seinem wunderschönen Garten im Ortsteil St. Georgen den legendären „Süddeutschen Töpfermarkt“. Was mit einem kleinen Markt anlässlich einer Jahresversammlung der Bayerischen Töpferinnung begann, hatte sich schnell zur etabliertesten Veranstaltung seiner Art gemausert (vergleichbar wohl nur noch mit dem Markt in Frechen) und hebt sich bis zuletzt wohltuend ab von den allerorten inflationär und lieblos entstandenen Töpfermärkten: hier gibt es ein begleitendes und hochwertiges Vortragsprogramm, Sonderausstellungen, Länderschwerpunkte. Hier war immer auch ein Treffpunkt ausgezeichneter Keramiker: viele, die ihre Ware sonst nicht zu Markte trugen, machten in Dießen eine Ausnahme. Kunden und Sammler kamen all die Jahre wirklich zum Keramik kaufen und nicht, wie andernorts, um primär im netten Ambiente eine halbe Bier zu trinken…

 

Hier in Dießen war 1987 der kalkspatz e.V. gegründet worden, der mit Film- und Küchenzelt jahrelang den Markt bereicherte. So war es auch Arthur Sudau, der uns vor 12 Jahren auf paradoxe Weise ermutigte: „Der kalkspatz ist ein Strohfeuer, das in ein, zwei Jahren wieder erloschen ist!“ (Aber das ist eine andere Geschichte.)

In der Gemeinde Dießen aber tat man all die Jahre so, als sei der Töpfermarkt primär eine große Belastung und Zumutung.

Vor allem der 4-Tage Verkehrsstau wurde Sudau übel genommen.

Dem Dießener Kunsthandwerk schien der Markt auch keinen großen Gewinn zu bringen, die Dießener Töpfereien waren irgendwie immer etwas außen vor. Bis auf die von Ernst Lösche, der im Garten seiner Töpferei selbst zu Christi Himmelfahrt einen kleinen stimmungsvollen Markt aufbaute, den viele Leute dann für den Dießener Töpfermarkt hielten.

Alfred Hering tritt auf…
1998 wurde dem rührigen Marktveranstalter ein furchtbarer Dämpfer erteilt. Der kam in Form eines Herzinfarktes daher, der ihn wenige Tage vor dem Markt ins Krankenhaus schickte. Als Retter in der Not trat damals der in Frankreich lebende deutsche Töpfer Alfred Hering in Erscheinung. (Für die, die den Dießener Markt kennen: gleich der erste Stand rechts). Er übernahm die Geschäfte des Marktleiters, wies aber Vermutungen, die ihm ein längerfristiges Interesse an diesem Job unterstellten, geradezu brüskiert zurück.

 


 

Vielen Töpfern aber, die wirtschaftlich von diesem Markt abhängen, wurde in diesem Jahr schmerzhaft klar, dass es wohl nicht ewig so weitergehen werde in Dießen.

Der letzte Markt bei Sudau…
1999 verkündete dann Arthur Sudau, dass der 2000er Markt wohl der letzte in seinem Grundstück sein werde. Wie es danach aussehe, sei bis dato noch unklar. Nach dem Markt gab es dann gleich noch ein bisschen Ärger mit den Dießener Gemeindevätern: Wiedermal waren nämlich nach einem der typischen südbayerischen Dauerwolkenbrüche beim Markt 1999 nach 2 Tagen sämtliche Parkplätze (normalerweise sind das Kuhweiden) in Schlammwüsten verwandelt worden. Um den Markt deshalb aber nicht schließen zu müssen, ließ Bürgermeister Kirsch die Dießener Straßen zum Parkplatz erklären und die Feuerwehr sorgte 2 Tage lang mit allen verfügbaren Kräften für die öffentliche Ordnung.

Die Idee, für diesen Großeinsatz eine Rechnung über insgesamt 3000.- DM zu stellen, verübelte Sudau dem Bürgermeister außerordentlich. Das Verhältnis des Marktveranstalters zu seiner Marktgemeinde war am Tiefpunkt.

März 2000: Die Landsberg-Variante Trotzdem war man in Dießen außerordentlich überrascht, als im Programm für den 2000er Markt plötzlich zu lesen war, dass der Markt nach Landsberg am Lech verlegt werden sollte. Die Marktleitung werde Sudaus Tochter Luise übernehmen… Plötzlich merkte man in Dießen, dass man drauf und dran war, das allhimmelfahrtliche und wirtschaftlich wohl doch nicht so ganz unbedeutende Großereignis zu verlieren. Und man nahm Verhandlungen mit Arthur Sudau auf, mit dem Ziel, den Markt in Dießen zu halten und hier einen geeigneten Veranstaltungsort zu finden. Die Erfolgsmeldung war dann Mitte Mai wiederum im Lokalteil der „Süddeutschen“ zu lesen:

… und alles schien in Butter. Die parkähnlichen Seeanlagen schienen als Marktgelände geeignet und wenn die Gemeinde als Veranstalter auftrete, hätte sie ja höchstens Ärger mit sich selbst am Halse…

Allerdings: Luise Sudau (gegen die als Marktleiterin eigentlich niemand etwas gehabt hätte) war plötzlich aus dem Rennen. Statt dessen zauberte Arthur Sudau am 5. Mai einen ganz heissen Joker hervor: Wolfgang Lösche, Sohn des oben erwähnten Ernst; einen besseren Mann als Lösche jun. konnte Sudau kaum finden: Als rechte Hand von Peter Nickl leitet er die Galerie Handwerk in München, organisiert ausgezeichnete Sonderschauen (Exempla) auf der Münchner Handwerksmesse, ist Volkskundler, Töpfersohn, Leiter des 60 Jahre alten Dießener Kunsthandwerkerverbandes (mit Pavillon in den Seeanlagen) und Dießener Bürger! Hoch anzurechnen war Sudau zu diesem Zeitpunkt, dass er über den Schatten einer scheinbar lange gepflegten Konkurrenz zwischen den Familien Lösche und Sudau gesprungen war. Die Sache hatte nur einen gewaltigen Haken: Sudau hat Lösche gar nicht gefunden, sondern der erfuhr von seiner „Berufung“ erst durch die Lokalredakteurin der SZ!

Tags darauf sah sich der völlig perplexe Lösche einer Abordnung des

 

Gemeinderats gegenüber und war verständlicherweise nicht in der Lage, den Job als Marktleiter ohne weitere Bedenkpause anzunehmen. Lösche: „Das wollte ich mir erstmal in Ruhe überlegen.“ Sein Zaudern aber wurde vom Gemeinderat als Absage interpretiert und Sudau schien auch nichts mehr von Lösche wissen zu wollen. Und damit nahm dann das Desaster seinen Lauf. Als absolute Horrorvariante soll sich in diesen Wochen des offenen Rennens auch der Massenmarktveranstalter Gerhard Stock um den Dießener Markt bemüht haben. Aber zumindest dieser Kelch ging an Dießen vorüber!

Bürgermeister Kirsch: „Für die Gemeinde ist der Fall ganz klar: Veranstalter des Töpfermarktes ist ab 2001 die Marktgemeinde Dießen. Sie ist jetzt auf der Suche nach einem Marktleiter. Herr Lösche, den Herr Sudau vorgeschlagen hatte, erteilte uns eine Absage. Er war zwar bereit, beratend zur Seite zu stehen, aber das half uns wenig weiter: Wir brauchen einen Verantwortlichen und keine diffuse Beratergruppe. Und nun präsentierte Herr Sudau uns plötzlich Herrn Alfred Hering. Als Töpfer vertrete er hervorragend die Interessen seiner Kollegen und er sei der Mann seines Vertrauens. Damit war Hering eigentlich der einzige Kandidat für den Marktleiterposten und die Gemeinde sah keinen Grund, mit ihm nicht in Verhandlungen zu treten.“

 


 

Inzwischen hatte der 23. Süddeutsche Töpfermarkt begonnen und die Gerüchteküche unter den Töpfern brodelte aufgeregt…

Die Gemeinde verteilte Flugblätter, in der sie den Markt 2001 definitiv für die Seeanlagen ankündigte und als Ansprechpartner einen Mann mit Adresse in Frankreich nannte: Herrn Alfred Hering. Der selbst stellte seine Bereitschaft als Opfer dar: „Ich hab hier so eine Art Klassensprecherfunktion; das will ich eigentlich gar nicht!“, erweckte aber durchaus den Eindruck, dass er bereit sei, den Job zu übernehmen, ohne sich dabei groß von irgend jemand reinreden zu lassen.

Gleichzeitig wurde allmählich bekannt, dass Lösches Absage gar nicht so definitiv war, wie es zunächst geklungen hatte. Besonders die Clique der Dießener Töpfer wollte partout nicht akzeptieren, dass der Markt von einem Mann, der in Frankreich lebt, geleitet werden sollte, wenn es vor Ort einen viel geeigneteren gäbe. Und offensichtlich alles vorbei an den Dießener Töpfern und am Arbeitskreis Dießener Kunst, der in den Seeanlagen seit Jahrzehnten einen Verkaufspavillon betreibt.

Besonders schlecht kam Herings Idee an, in Zukunft Eintritt für den Markt zu verlangen: Sollte dann das öffentliche Parkgelände samt Dampfersteg der bayerischen Seenschifffahrt eingezäunt werden? Heftig wurde darüber gewitzelt, wie man mit den Schiffspassagieren umgehen werde, die gar nicht auf den Töpfermarkt wollten („Maschendraht-Korridor?“).

Viele Aussteller wollten nicht so einfach die Tatsache „Hering als Marktleiter“ akzeptieren und man hoffte auf eine nochmalige Wende und – auf Wolfgang Lösche. Gleichzeitig befürchteten viele einen Rieseneklat und eine Spaltung der Töpferschar. Unermüdlich in Vermittlungsmission auf dem Markt unterwegs war Innungsobermeisterin Edith Memmel: „Wir müssen unbedingt verhindern, dass es zu einer Kampfabstimmung kommt.“

 

Derweil machte Bürgermeister Kirsch seinen Marktrundgang, der ihn in höchste Verwirrung stürzte:

„Ich habe mit vielen Töpfern gesprochen und festgestellt, dass Herr Hering gar nicht die Unterstützung hat, die er und Sudau vorgeben.“

Trotzdem werde er am Freitag Abend mit den beiden die Seeanlagen besichtigen. Aber entscheiden werde sich der Gemeinderat jetzt auf gar keinen Fall, sondern erst in 4 Wochen. „Das mit dem Eintritt kommt übrigens überhaupt nicht in Frage!“

Am Marktsamstag Abend schließlich…
…hätte der kalkspatz e.V. eigentlich gerne ein würdiges Fest organisiert, wollte aber Sudau keinesfalls ins Konzept pfuschen und hielt sich deshalb zurück; aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Also: am Samstag Abend schließlich lud Alfred Hering zum großen Töpfertanz ins Wirtshaus am Kirchsteig. Der kalkspatz durfte die Band organisieren, der Wirt spendierte großzügig das Essen und Hering übte schon mal Eintritt kassieren. Es war alles hübsch erdacht, wenngleich ein bisschen konfus, der Saal brechend voll; alle waren gekommen und Sudau sollte geehrt (und Hering intronisiert?) werden. Der „Käs’ schien gegessen“.

Aber da war doch noch was!
Peter Bell, einer der Oldies, erhebt sich plötzlich und meint: „Bevor wir hier zu Friede, Freude und Eierkuchen übergehen, sollten wir doch mal darüber reden, wie es eigentlich weitergeht!“

Rumps! Knisterndes Schweigen.
Arthur Sudau tritt zu einer längeren Rede ans Mikrofon: Er habe gestern mit Alfred Hering und dem Bürgermeister ein Begehung des Geländes am See vorgenommen. Und dem Bürgermeister einiges klargemacht. Und weiter:

 

 


 

„Ich gebe zu, dass ich diesen Markt autokratisch geleitet habe, aber jetzt schenke ich ihn Euch, den Töpfern!“
und dann:
„Ihr müsst unabhängig bleiben von Innung, Handwerkskammer, Gemeinde und kalkspatz. Deshalb haben wir ein Gremium gebildet: Mit Alfred Hering, Lutz Pflugk, der ja bei der Gesellen- und Meisterprüfung in Landshut einiges mitzureden hat, Peter Krempl fürs Internet und Edith Memmel als Frau dabei“ (Zwischenruf: „und Innungsobermeisterin!“).

Die 120 anwesenden Töpfer zeigen sich überrascht: Bisher wussten sie nur von Hering, nun stellt Sudau plötzlich ein ganzes Konsortium vor! Ob die Leute diesmal schon von ihrem Glück wissen? Edith Memmel: „Ja, seit heute morgen“; Peter Krempl hält sich vornehm zurück und Lutz Pflugk ist gar nicht auf dem Markt.

Schließlich führt Sudau noch aus, dass er den „Süddeutschen Töpfermarkt vorläufig nicht hergeben“ will. Er meint damit den geschützten Titel. (siehe Kasten)

„Süddeutscher Töpfermarkt“
Diesen Titel hat Arthur Sudau sich als Gebrauchsmuster schützen lassen. Und wenn er jetzt schon den Markt selbst an die Gemeinde Dießen abgetreten hat, so doch noch lange nicht den geschützten Titel. Damit behält er sich wohl die Möglichkeit vor, doch noch andernorts einen neuen „Süddeutschen Töpfermarkt“ zu veranstalten. Vielleicht eben doch noch in Landsberg, vielleicht dann doch noch unter Regie von Alfred Hering oder seiner Tochter Luise. Aber das ist reine Spekulation. Jedenfalls erklärt diese Titelschutz-Geschichte, warum Sudau so hohen Wert darauf legt, dass beim künftigen Markt in Dießen vom „Dießener Töpfermarkt“ die Rede ist. Aber so haben ihn ja seit eh und je sowieso schon alle Leute genannt!

Und Alfred Hering?: Wie sieht das aus Deiner Sicht aus? „Wir waren heute schon auf der Gemeinde und haben einen Vertrag vorbereitet. Mein Bruder ist auch Bürgermeister und daher weiss ich, wie sowas läuft … auf alle Fälle werden wir Eintritt verlangen“ (leicht missmutiges Grummeln im Saal)…

„und die Gastronomie ausweiten“ (heftiger Protest im Saal: „das war doch gerade der Witz am Dießener Markt: dass die Leute kommen um Keramik zu kaufen und nicht, um Bier zu trinken“)…

 

darauf Arthur Sudau: „Man muss das psychologisch sehen: der Bayer will sich erstmal hinsetzen und Brotzeit machen; danach geht er einkaufen!“ (Gegrummel auf den billigen Plätzen: warum war dann die gastronomische Versorgung auf dem Markt bisher so mies?).

Alfred Herings zweifelhaftes Marktkonzept:
Der Markt soll Eintritt kosten.
Obwohl diese Idee vom Bürgermeister ganz unmissverständlich abgelehnt wurde, stellte er sie als tragende Säule seines Marktkonzeptes dar.
Die Gastronomie auf dem Markt soll ausgeweitet werden.
Klingt zunächst nicht schlecht. Aber viele befürchten, dass dann mehr Geld für Bier und Würstel, als für Keramik ausgegeben wird.
Der Markt soll vorbei am Arbeitskreis Dießener Kunst und ohne dessen Beteiligung organisiert werden.
Der ADK aber betreibt seit Jahrzehnten im Herzen der Seeanlagen einen Verkaufspavillon.
Die Dießener Töpfer sollen weiterhin mit der Gestaltung des Marktes nichts zu tun haben.
Kommentar zwecklos!
Der traditionelle „Flying Dutchman Cup“ soll künftig dem Töpfermarkt weichen
... weil das von den Seglern seit Jahren als Zeltplatz benutzte und an die Seeanlagen angrenzende Gelände für den Töpfermarkt benötigt werde. So macht man sich Freunde!

Hering führt weiter aus, am Montag werde es eine geschlossene Gemeinderatssitzung geben, auf der er und Sudau eingeladen seien, um ein Marktkonzept vorzulegen.

Die Situation ist prekär, die Stimmung deutlich erregt, weil man die vorgesetzte Marktleitung nicht einfach so hinnehmen wollte. Monika Drescher sprach wohl vielen aus dem Herzen: „Als das Deine Privatveranstaltung in Deinem Privatgarten war, konnte und musste jeder Deine Entscheidungen akzeptieren; jetzt ist die Gemeinde aber Marktveranstalter und da erwarten wir uns schon eine demokratische Vorgehensweise“.

Hans Fischer bekräftigt: „Es kann doch wohl keiner erwarten, dass wir uns einfach so ein Gremium vorsetzen lassen, das in keiner Weise demokratisch legitimiert ist!“


 

Niemand will Arthur Sudau an den Karren fahren, was die bisherigen Märkte betraf. Geplant war, ihn für sein 23-jähriges Engagement zu danken und ihn zu ehren. Dies versuchte dann auch Edith Memmel und überreichte eine tags zuvor geschossenes Töpfer-Gruppenfoto nebst Expo-Gutschein. Aber da war der Abend schon nicht mehr zu retten, obwohl der Name „Wolfgang Lösche“ noch gar nicht gefallen war. Aber wie war das mit der Psychologie? „Der Bayer macht erstmal Brotzeit.“ Und keiner blieb vom Thema unberührt.

Es schallt durch den Biergarten:
„Um 22.15 Uhr wird weiterdiskutiert“ Also alle wieder rein in den schlecht gelüfteten Wirtshaussaal! Es ist die Stunde konstruktiver Vorschläge:

Jürgen Blank findet, man solle doch einen Verein als Veranstalter des Marktes gründen und zeigt wenig Vertrauen zur Gemeinde Dießen: „Ich war selber mal Gemeinderat!“.

Volker Pilzecker stellt sich auf die Bühne und versucht sich als Moderator: Man könne doch jetzt auf jeden Fall mal dem von Sudau genannten Gremium das Vertrauen aussprechen, also darüber abstimmen. Dies gelingt zwar nicht, aber immerhin hat die Veranstaltung jetzt einen Diskussionsleiter.

Es fasst sich ein Herz: Christoph Möller, Dießener (!) Töpfer und bringt endlich den Namen Wolfgang Lösche ins Gespräch; er weist darauf hin, dass dieser, sein Nachbar mit dem er in den letzten Tagen viel gesprochen habe, eigentlich durchaus bereit sei, sich für den Markt zu engagieren. Aber viele im Saal wissen mit dem Namen gar nichts anzufangen. Irgend jemand schlägt vor, dass Lösche ja dann in diesem „Gremium“ mitarbeiten könne; Pilzecker: „Aber wir können hier doch nicht über jemanden reden, der gar nicht da ist!“

Unbekannte Stimme aus dem Hintergrund: „Aber der ist doch da“ und es tritt vor, scheinbar ganz gelassen und cool: Herr Lösche jun., stellt sich vor: „Ich kenne die meisten von Ihnen, ohne dass sie mich kennen; denn viele von Ihnen haben wir bereits in der Galerie Handwerk oder bei der Exempla ausgestellt“.

 

Das „Gremium“
auch genannt: „Arbeitsgruppe“ oder „Konsortium“
Welchen Zweck das von Sudau ins Spiel gebrachte Gremium eigentlich haben sollte, bleibt unklar. Denn nach den Vorgaben des Gemeinderates gibt es nur einen hauptverantwortlichen Marktleiter, der vom Gemeinderat gewählt wird (und nicht von den Töpfern). Ob der sich dann ein Team zusammenstellen wird, bleibt dahingestellt. Ein Mandat zur Wahl eines Gremiums hatte die Schar der Aussteller jedenfalls nie und ein vom Gemeinderat bestellter Marktleiter wird sich, wie immer er auch heißt, ein solches Gremium nicht aufzwingen lassen, da er seine Arbeit letztlich alleine zu verantworten hat.
Sicher nicht geplant hatte Sudau eine wie auch immer geartete demokratische Legitimation dieser Gruppe. Vielmehr hat er sich diese Gruppe nach seinem Geschmack zusammengestellt und sicherlich nie eine Ausweitung in Gestalt von Wolfgang Lösche oder einer Dießener Töpferin akzeptiert. Das autokratische System Sudau sollte in dieser Gruppe fortleben. Insofern war es nur folgerichtig, dass es zu der von Pilzecker vorgeschlagenen demokratischen Abstimmung nicht gekommen ist.

Das Kartenhaus beginnt zusammenzufallen, denn viele derer, die bisher in Alfred Hering die einzige Garantie für den Fortbestand des Dießener Marktes gesehen haben, sind plötzlich mit einer Alternative konfrontiert.

Es tritt auf: Corry Goossens, Dießener (!) Töpferin, die es verständlicherweise nicht o.k. findet, dass ein Gremium ohne Vertretung der Dießener Keramiker installiert werden solle – und stellt sich selbst zur Verfügung.

Pilzecker aber hält immer noch an seiner Idee der Abstimmung fest und schlägt vor, das Gremium um Wolfgang Lösche und Corry Goossens zu erweitern und dann abzustimmen. Schließlich wartet die Band seit bald 3 Stunden auf ihren Auftritt…

 


 

Und da tritt wieder Alfred Hering in Erscheinung, um sich mit einer einzigen Bemerkung völlig zu disqualifizieren: „Arthur hat doch ganz klar gesagt, dass er die Dießener Töpfer nicht dabei haben will!“.

(und der Autor denkt sich: wie fänden es wohl die Töpfer von La Borne, wenn wir dort einen Töpfermarkt organisieren wollten, mit dem sie nichts zu tun haben sollen?????)

Luise Sudau tritt ans Mikrofon:
„So etwas hat mein Vater nie gesagt!“

Schließlich fällt noch eine ungeheuer ungeschickte Bemerkung über das angeblich nicht so überragende Niveau der Dießener Töpfer, die Lösche dazu zwingt „diese Aussage aufs Schärfste zurückzuweisen“. Das Diskussionsniveau hat seinen Tiefpunkt erreicht; aber Pilzecker will immer noch abstimmen lassen!

Ein Schweizer Töpfer erhebt sich und meint völlig treffend: „da können wir genauso so über die Fusion der Deutschen und der Dresdner Bank abstimmen“.

Arthur Sudau
Dass der Marktveranstalter gerne einen Schlussstrich unter die Diskussion zur Marktleitung gezogen und mit Alfred Hering den Mann seines Vertrauens zum Nachfolger gemacht hätte, ist natürlich verständlich.
Dass es aber keine Ideallösung sein könne, einen zukünftigen Dießener Töpfermarkt von Frankreich aus und unter Umgehung der lokalen (Fach)Leute zu organisieren, muss auch ihm klargeworden sein.
Bleibt nur zu hoffen, dass Sudau jetzt nicht nachhaltig verbittert ist. Denn der Markt braucht seine Impulse, seine Kontakte, seine Ideen. Wie schön wäre es z.B., wenn Sudau künftig die Sonderausstellungen zum Markt organisieren würde?
Dies aber erscheint sicher: Sudau muss akzeptieren, dass er nicht mehr autokratisch festlegen kann, wer bei der Gestaltung des Marktes mitmischt und wen er nicht dabeihaben will. Sonst hätte er den Markt nicht in die Hände der Gemeinde legen dürfen.
Aber dazu muss er den Markt, sein geliebtes Kind, erst wirklich loslassen können. Und das ist für jemanden, der dermaßen identifiziert ist, verdammt schwierig!

 

Arthur Sudau wird’s zu viel und er verlässt den Saal. Der „Ammersee-Kurier“ schreibt später zur Situation im Saal: „Sudau bleibt nur noch der schnelle Rückzug“ Auf einem T-shirt lesen wir: „Da steh ich nun, ich alter Tor und bin so klug als wie zuvor.“ Stimmt nicht ganz. War doch ein ganz lehrreicher Abend!

Der kalkspatz wirft ein Dia an die Wand, das einen Marktveranstalter in respektvoller Habacht-Stellung vor einem großen griechischen Topf zeigt.

Machs gut, Arthur!

Die Band spielt los: „hard work“! Die Horde tanzt. Oder diskutiert im Biergarten weiter.

Und danach?

Der Marktsonntag vergeht mit weiteren heftigen Diskussionen an den Töpferständen. Alfred Hering spricht von einem ganz abgekarteten Komplott gegen Arthur Sudau. Naja…

Am Montag findet die geschlossene Gemeinderatssitzung ohne Sudau und Hering statt. Wolfgang Lösche erhält den Auftrag, binnen vier Wochen ein Konzept für einen Dießener Töpfermarkt in den Seeanlagen vorzulegen. Soweit bisher der Stand der Dinge (Mitte Juni)

Bleibt nur zu hoffen, dass Arthur Sudau wieder aus seinem Schmollwinkel herausfindet. Denn ganz so einfach ist die Sache nicht. Christoph Möller: „Schließlich hat er mehr für das Töpferhandwerk getan, als alle staatlichen und handwerkskammerlichen Fördermaßnahmen.“

Ein Dießener Töpfermarkt ganz ohne Arthur Sudau – das wäre wie alkoholfreies Bier: Zwar politisch korrekt, aber irgendwie wird man immer merken, dass etwas entscheidendes fehlt.

Wolfgang Lösche steht vor einem gewaltigen Stück Arbeit. Wie die Sache ausgeht – in jedem Fall Recht behalten wird sein Vater, der alte Ernst („Opa“) Lösche:

„In Dießen wird seit dem 11. Jahrhundert Keramik hergestellt und es wird hier auch in Zukunft getöpfert; darauf können Sie sich verlassen!“