Aufbruch in die 4. Dimension…


Ganz neu:
Die Schnellbrandtöpferei mit Raku-Tunnelofen

von Mani Tille


Erstmal eine Bitte: Bevor Sie weiterlesen, versuchen Sie (keramische) Klischees wie „Zeit ist Geld“, „Gut Ding braucht Weile“, „Nein, bis Morgen kann ich Ihre Bestellung nicht fertig machen“, einfach über Bord zu werfen, aus der Schublade zu lassen, vergessen Sie es einfach mal kurz!

DAS REZEPT

Man nehme einen Tunnelofen aus der Industrie – sagen wir 300 Meter lang, einen afrikanischen Feldbrand von ca. 1 Stunde Dauer, die wunderbare Rakutechnik aus Japan und ein paar Spinner, die durchaus mit der (keramischen) 4. Dimension Zeit brechen wollen und stecke all dies in einen Mixer, der hier in Europa (sehr wichtig) an der Steckdose hängt und heraus kommt:

DIE SCHNELLSTE TÖPFEREI DER WELT (Einsprüche bitte schriftlich und unverzüglich an unsere Rechtsanwälte) – eine Stunde vom geformten zum gebrannten Stück.

So ein Quatsch, sagen Sie? Stimmt nicht – ausprobiert und gelungen in einer kalkspatz-Aktion Mitte Mai.

Zugegeben, der Mixer fordert seinen Tribut und somit ist der Ofen statt dreihundert nur drei Meter lang, aber dafür werden die Afrikaner übertroffen, die für ihren Feldbrand trockene Ware brauchen. Die Spinner nicht: frisch geformt oder gedreht in den Ofen, nach einer Stunde Durchlauf nach alter, übertragener Technik glühend aus dem Ofen geholt und ab in die Sägespäne – oder auch nicht, wie es beliebt.

Jeder, der das nachmachen möchte, will jetzt natürlich wissen, was man dazu benötigt. Okay, Spinner haben nie oder nur selten Geheimnisse.

Also – erstmal einen Ton, der das aushält, natürlich hochschamottiert und trotzdem hochplastisch dank Geheimfasern, einen Brennofen, der gleichmäßig langsamen Temperaturanstieg gewährleistet, dazu natürlich ein bißchen Ahnung von Ofenbautechnik, Kraft zum Schieben sowie den Mut Außergewöhnliches auszuprobieren und eine gewisse Lust am Frust – denn ganz ausgereift ist das Konzept noch nicht. Aber verbesserungswürdig, denn es ist unglaublich, was Raku an Stress verliert mit so einem süßen Tunnelofen namens „Quicky“, kontinuierlicher Auswurf alle fünf Minuten, wo hat man das schon…

 

Neugierig geworden? Die nächste Aktion unter dem Motto „In die Röhre gucken“, „Nass gebacken“, „Meiner ist länger“ oder „Auf die Länge kommt es nicht an“ findet im Herbst statt und ist dem kalkspatz-Seminarprogramm zu entnehmen.

Heiße Grüße von den zwei Oberspinnern Theo Schipp und Mani Tille – „die heute nichts mehr lösen wollen“ und allen Mitwirkenden.

 

DIE TECHNIK

Der Ofen „Quicky“ ist im Prinzip ein liegender, drei Meter langer Schornstein, etwas ansteigend für den besseren Zug aufgestellt.

Eine einfache Eisenkonstruktion zum Zusammenschrauben der Feuerleichtsteine, darauf ein klassisches Gewölbe für die Ästhetik, das Ganze in drei Einzelteilen für den leichteren Transport.

Am niedrigeren Ende blasen zwei Gasbrenner in den Tunnel, der Abzug ist am anderen, höheren Ende, auf jeder Seite eine Schiebetür aus Feuerleichtsteinen.

Am Boden des Ofens sind keramische Trägerrohre halb eingelassen, auf ihnen wird die Ware auf kleinen Brennplatten von der kälteren Seite her langsam durch den Ofen geschoben. Bewährt hat sich eine Durchschubdauer von einer Stunde: alle 5 Minuten wird eine Brennplatte mit Ware eingeschoben und gleichzeitig kommt auf der heißen Seite eine Platte mit glühender Ware heraus.

Mit einer speziellen Masse erreicht man einen Zeitrahmen von einer Stunde vom geformten zum gebrannten Stück. Selbstverständlich funktioniert das Ganze noch besser mit geschrühter Ware, dafür aber nicht so schnell.

Anmerkung 1: Alle Bemerkungen in „Anführungszeichen“ entstammen aus dem „brainstorming“ der Mitspinner nach der Aktion.
Anmerkung 2: „Quicky“, die schnellste Töpferei der Welt ist für gewisse Aktionen wie Kinder-, Jugendlichen-, Erwachsenen- oder Altenaktivitäten oder gar Töpfermarktattraktion buchbar unter: kalkspatz e.V., Telefon: 08702-3475.
Anmerkung 3: Vom 15.-17.9.2000 wird mit „Quicky“ gebrannt – Näheres ist dem Seminarprogramm zu entnehmen.