Bereits zum dritten Mal fand im Juni 97 ein internationales Keramikertreffen in St. Petersburg statt, organisiert von einem Kreis russischer Keramiker und Keramikerinnen. Die neun Teilnehmer kamen aus Belgien, Finnland, Österreich, den USA, Südafrika und Deutschland.
Wir wurden privat im Zentrum der Stadt bei Freunden und in Ateliers untergebracht, zum Arbeiten trafen sich alle in einem Holzhaus in der Datschensiedlung Schuvalovo am Rande Petersburgs.
Die Werkstatträume in Schuvalovo standen immer offen, jede fand in dem einfachen aber geräumigen Haus eine ruhige Ecke und alles benötigte Werkzeug. Teilweise wurde mit dem dortigen „grünen“ Ton gearbeitet, teilweise mit weißem Steinzeugton aus einer nahen Fabrik. Die Gastgeber stellten ihre Glasuren zur Verfügung und waren jederzeit bereit, fehlendes zu beschaffen.
Spannend war es, wie und was gearbeitet wurde. Sich gegenseitig über die Schulter zu schauen war sehr aufschlußreich. Mit der Zeit klappte die Verständigung untereinander immer besser. Was von außen vielleicht wie babylonische Sprachenverwirrung wirken mochte, war in Wirklichkeit eine Kommunikation geworden, die über das bloße Wort hinausging.
Der Garten spielte eine wichtige Rolle: hier standen ein viel genutzter Rakuofen und ein während des Treffens erstellter und eingeweihter Holzbrandofen. - Und nicht zuletzt der große überdachte Tisch, an dem das gemeinsame Mittagessen, reichlich und gut zubereitet, eingenommen wurde. Die Arbeiten aller Teilnehmer wurden am Ende des Aufenthaltes in einer Ausstellung in der Galerie „Meistergilde“ präsentiert.
Schuvalovo ist ein Datschengebiet, in dem besonders viele Künstler und Kunsthandwerker ansässig sind. Zwischen schönen alten Holzhäusern entstehen inzwischen neue Häuser von zweifelhafter Architektur, gebaut von den sog. „neuen Russen“. Die Siedlung hat aber immer noch einen fast dörflichen Charme, und drei Badeseen machen sie zu einem beliebten Ausflugsziel der Petersburger.
Die Zeit war gut gewählt: Im Juni geht in der Stadt die Sonne fast nicht unter, die „Weißen Nächte“ bestimmen den Lebensrhythmus. Das umfangreiche Kulturprogramm umfaßte Ballett, Oper, Konzert und Museumsbesuche, vor allem aber Besuche bei Künstlern in ihren Ateliers und eine Führung durch das Muchina -Institut, der Hochschule für angewandte Kunst, wo unsere Gastgeber ausgebildet und z. T. als Dozenten tätig waren.
Die Situation der Keramiker in Rußland ist denkbar schwierig. Es geht um die Existenz, man versucht, sich mit Jobs und gelegentlichen Verkäufen über Wasser zu halten, Dozentengehälter sich lächerlich gering, so sie gezahlt werden.
Der politische Wandel hatte auf die Künstler unterschiedliche Auswirkungen. Beim einen blieben die gewohnten Großaufträge von staatlicher Seite und damit viel Anerkennung aus, dem anderen aber wurde erfolgreiches Arbeiten und Ausstellungen im Ausland überhaupt erst möglich.
Aus sozialistischen Zeiten erhalten geblieben ist die enge Verbindung der Menschen untereinander, das Wissen, aufeinander angewiesen zu sein, und die Fähigkeit, das Leben zu organisieren.
Mit viel Wärme, Engagement, Humor und dem typischen Improvisationstalent machten unsere Gastgeber fast alles möglich. Für alle war es eine wunderbare Zeit voller Eindrücke, die sicher lange im Gedächtnis bleibt. Es sind Freundschaften über diese drei Wochen hinaus entstanden, und ich kann nur wünschen, daß sich beim nächsten Mal 1999 viele „Alte“ wiedertreffen, aber auch, daß viele „Neue“ hinzukommen.
Im kommenden Juni soll die Veranstaltung ein viertes Mal organisiert werden. Teilnehmen können professionelle KeramikerInnen, mindestens Englischkenntnisse wären hilfreich. Eine Teilnahmegebühr fällt nicht an, es entstehen Kosten für die Reise, Visum, Umlage für die Verpflegung und für das Kulturprogramm, Taschengeld, die Unterbringung ist kostenfrei.
Wer sich direkt mit den Veranstaltern in Verbindung setzen möchte, wende sich an folgende Adresse:
Ominina, E.
Bolshoi Prospect 2/1, App. 18
197198 St. Petersburg
Russia
Tel. 007.812-2345664
(Frau Ominina spricht sehr gut englisch.)