Meisterschulenserie Teil 2: Naumburg

Warum wolltest Du Meisterin werden?

Wollte ich das? Ich hatte eigentlich nie den Wunsch gehabt mich zu qualifizieren, oder wie man das nennt.

Das Bedürfnis kam gewissermaßen von außen. Die alte Geschichte mit HWK und Wirt- schaftsförderung.

Wie lange warst Du in der Schule?

Kurz war's.

In Naumburg wurde Fachtheorie fünf Woche lang unterrichtet, aufgeteilt in vier Blöcken.
Wir begannen am 10. Februar und machten die schriftliche Prüfung im Teil II Ende Juni.
Die Präsentieren der Meisterstücke, sowie die mündlichen Prüfung fand am 19. September in Bürgel statt. Am folgenden Tag, dem 20. September wurde die Praktische Prüfung in der Werkstatt von Bürgeler Blau-Weiß abgenommen.
(Teil III und IV machte ich im Vollzeitkurs (320 Stunden; 7 bis 8 Wochen) in München) Vom 10. November bis 19 Januar1998. Jetzt warte ich auf das Ergebnis von Teil III -IV.

In Naumburg wird, soweit ich gehört habe, Teile I -IV nicht im Gesamtpaket angeboten.

Wie war die Zeit?

Ich mag Naumburg, das ist ein nettes Städtchen. Die Altstadt ist toll erhalten mit schönen Patrizierhäusern und mit bester Fußgängerzone (nicht so nervig, wie in Landshut!)
Leider gab's kein Kino, aber Jena ist gleich um die Ecke (ca. 30 km).

Der Kurs fand in der Berufsschule statt, meistens zu Schulferienzeiten, wir hatten das ganze Gebäude also für "uns", einschließlich des netten Hausmeisters.
Die Berufsschule ist ein Bau der 50/60iger Jahre. Für mich sehr erholsam, da ich ja nur den Münchner Plattenschulbau der 70iger Jahre kenne.
Das Schulzimmer der Keramiker ist vollgepfropft mit Zimmerpflanzen. Ich fand's toll, Allergiker schimpfen.

Na ja die Zeit? In dieser Zeit ist in meinem Umfeld ziemlich viel passiert, wäre das nicht gewesen, hätte ich mich in aller Ruhe zurückgelehnt und Naumburg genießen können.

( Nicht zu vergessen den Saale-Unstrut-Wein)

Wieviel Schüler wart Ihr und wie hat sich Eure Klasse zusammen gesetzt?

9 Schülerinnen und 3 Schüler, wenn ich keinen vergessen habe.

Darunter je einmal Fachrichtung Dekoration und Baukeramik und einen "Porzelliner", der durch das Wegfallen des Industriemeisters nun den Meister im Handwerk macht.
Einige haben nur Teil II, also den Theoretischen gemacht.

Wie hast Du die Schulzeit finanziert?

Vom Eingemachten.

An wieviel Wochen hattet Ihr Unterricht?

An insgesamt fünf Wochen, immer von Montags bis Freitag.

In welchen Fächern? (Wieviel Stunden in Welchem Fach?)

Technologie, Fachkunde, Fachrechnen, Baukeramik, Fachzeichnen, Gestaltung, Kalkulation

Was hattet Ihr für Lehrer?

Christian Wolff : Fachtechnologie und Fachrechnen

Dietrich Kleinschmidt : Rohstoffkunde und Fachtechnologie

Herr Philler : Gestaltung,

Klaus Beckert : Baukeramik

Carl-Luis Lehmann : Kalkulation, .............. alles Keramikmeister mit eigenen Werkstätten
und die Zeichenlehrerin der Berufsschule

Wo lagen die Schwerpunkte?

Schlicht und einfach: Die Anforderungen der Meisterprüfung abzudecken.

Wie ist die Werkstatt?

Die Werkstatt der Berufsschule ist klein, wir haben sie nur für die Unterweisung in Baukeramik benutzt. Das war der einzige praktische Unterricht, da erst seit den Einigungsvertrag auch Baukeramik zum Berufsbild in den Neuen Bundesländer gehört.
Die Werkstatt in Bürgel, in der die Praktische Prüfung abgenommen wird ist riesig.

Den Leuten, die ihren eigenen Ton für die Prüfung mitbringen wollen, empfehle ich die Mitnahme eines Sackkarren oder ähnlichen rollbaren Gefährt.
Ratsam ist es für die Altbundesländler, sich vor der Prüfung mit den Friktionsscheiben Marke DDR (die gut aber ungewohnt sind) vertraut zu machen.

Die Präsentation der Meisterstücke wurden übrigens in einen recht angenehmen Gastraum eines Seminarhauses durchgeführt. Dies war bis auf Stühlerücken mit keinen Umständen verbunden. Unser Baukeramiker hatte allerdings seinen Streß den Kachelofen innerhalb der kurzen Zeit aufzubauen.

Konnte man da auch seine Meisterstücke machen?

In Naumburg? Glaube nicht.
Aber Dietrich Kleinschmidt machte uns das großzügige Angebot, bei Schwierigkeiten im Großdrehen seinen Rat und Beistand in Saalfeld zu suchen und in seiner Werkstatt zu üben.

Ist die Werkstatt exklusiv für die Meisterschüler/innen?

Nein. Sie gehört zur Berufsschule.

Konntet Ihr in die Werkstatt, wann immer Ihr wolltet?

Ich bin überzeugt, daß man darüber mit Herrn Wolff verhandeln kann und dies auch in einem gewissen Rahmen möglich wäre. Von unserem Kurs hatte niemand das Bedürfnis.

Hattest Du Schülergefühle, oder war es eher eine Fortbildung für Erwachsene?

Ich hatte eher Erwachsenen-Fortbildungs-Gefühle.
Es war zwar reiner Frontalunterricht, aber dies lag in manchen Fächern an uns. Wir hätten uns weitaus mehr in den Unterricht einbringen können.

Mußtet Ihr viel "Blödsinn" lernen?

Klar macht es keinen Spaß zum x-ten Mal die Kaolinisierung einschließlich keramischer Formel durchzukauen. Mich hätten auch mehr die Tips und Tricks zur Herstellung von lila- blaßblauen Glasuren interessiert. Zumindest kann ich jetzt wieder einem Lehrling mit dem Schulstoff helfen und zwar aus dem Stegreif und brauche keine Literatur. Fragt sich nur, wie gut mein Langzeitgedächnis anhält.

Was hat Dir gefehlt?

Bezug zur Praxis. Was dies, die Praxis angeht, war wohl die Meisterprüfung der ehemaligen DDR um vieles interessanter gewesen.

Gab es Konkurrenzgefühle unter den SchülerInnen?

Meines Wissens überhaupt nicht.

Ging es um den Meisterbrief, oder war Zeit für den "Blick über den Haferlrand"?

Klar, Thema Nr.1 ist immer noch W/O, dann Hale-Bop........
Töpferei auf den Philippinen, Maria Martinez .......

Wie war der Prüfungsplan?

Aus dem Gedächtnis heraus: Kalkulation, Fachrechnen, Fachtechnologie, Rohstoffkunde, Fachtheorie längere Pause,

Naumburg Fachzeichnen, Gestaltung

Bürgel 1. Tag Mündliche Prüfung

Praxis Präsentieren der Meisterstücke

Verteidigen der Meisterstücke

2. Tag Praktische Prüfung

Hattest Du das Gefühl, gut auf die Prüfung vorbereitet worden zu sein?

Ja. (tue mir allerdings auch nicht schwer im Lernen)

Was entstanden denn so für Meisterstücke?

Krug mindestens 50 cm ( darf aber zweiteilig sein)
Schale mindestens 40 cm Durchmesser

Gefäßensemble, wobei Flachzeug, Deckel- und Tüllenlösung verlangt sind; das ging also vom kompletten Eß- zum WG-Service, über keramische Küchen- und Hotelzimmerausstattung.

Wie hat nach deinem Eindruck die Zusammenarbeit zwischen Ausschuß und Schule funktioniert?

Bestens! Da unser Prüfungsausschuß zu großem Teil aus unseren Lehrern bestand.

Wer denkt sich eigentlich die Fragen aus, wer wählt die Aufgaben?

Der Prüfungsausschuß

Wurdet Ihr bei der Prüfung fair behandelt?

Die Behandlung bei der Theorie war wunderbar fair; ebenso (aus meiner Sicht) die Fragen.
Die Anforderungen für die Scheibendreher im Praktischen war im Rahmen mit fairer Zeitvorgabe. Für die Baukeramik schien es mir härter.

Den Nervenkrieg, während der Praktischen Prüfung, kann wohl keine Prüfungskommission ausschalten. In Bürgel schauen die Prüfer still zu, mit einem gewissen Abstand zu der Scheibe.
Bei der Verteidigung der Meisterstücke wird Wert auf Beweisen von Selbstbewußtsein gelegt.
Wer etwas jünger, unerfahrener ist oder ein schwaches Nervenkostüm hat, kann leicht das Opfer dieser, sich ungeduldig und poltrig gebärdenden, Prüfungscrew werden.
Da gibt's nur eins: den Stier freundlich bei den Hörnern packen!

Kannst Du Dich noch an Fragen in der Theoretischen erinnern?

ÄHHH!
Alles ziemlich grundlegende Fragen, wie über: Einteilung der Keramischen Erzeugnisse, Sinterung, Schmauchen, Bildsamkeit der Tone, Tonarten, Trüben, Mattieren und Färben von Glasuren etc. sehr viele Fragen und das in relativ kurzer Zeit , ziemliche Hatz!
Im Rechnen ging's um Schwindung vor und zurück, Masseversatz und mehr,
im Fachzeichnen um den Halbschnitt einer Teekanne.

Was wurde in der Praktischen Prüfung verlangt?

Krug ca. 29 cm in Serie drehen ( 3 Stück) nach Vorbild
Dose mit Doppelfalz (Knauf zum Abdrehen angelegt)

Schale nach eigenem Entwurf min. 30 cm.
Kugel min. 30 cm hoch und min. 30 cm breit, oder Zylinder min. 40 cm hoch (hängt von Bäuchen der Meisterstücke ab; wer wenig Bauch gedreht hat darf garantiert die Kugel und wer viel Bauch, darf den Zylinder drehen)

Henkeln
Dekorieren Plastisch und Dekorieren mit Maltechnik
Kachel ausformen und verstegen

Wie war das mit der Mündlichen?

Wer schlechter, als "gut" in der Schriftlichen, muß.

Hattet Ihr Gelegenheit mit dem Ausschuß über Eure Meisterstücke zu sprechen?

Ungefähr eine Viertelstunde lang.
Diese sogenannte Verteidigung ist einigermaßen gefürchtet, wegen dem bärbeißigen Auftretens des Prüfungskomitee, das schon vorher Erwähnung fand.

Wurdet Ihr über die Prüfungsergebnisse detailliert informiert?

Die Schriftliche kann man wohl ohne großen Aufwand, außer nach Naumburg zu fahren einsehen.
Die Praktische wurde in groben Zügen vor allen (mit Einwilligung) Prüflingen erörtert.
Es wurde auch eingeladen weitergehender darüber nachzufragen, was jedoch niemand in Anspruch nahm.

Wieviel % haben bestanden?

Von den Fünf, die alle beiden Teile gemacht haben: 100 %
Es kamen noch drei Prüflinge dazu für die Praktische oder wegen der Meisterstücke.
Ein Prüfling wurde mit seinem Meisterstücken abgelehnt, das leider zum dritten Mal.
Der Kommentar soll gelautet haben:" Nicht jeder kann Meister werden!"

Gab es externe Prüflinge?

Von denen, die in der Praktischen dazu kamen, nehme ich an , daß sie Teil II in Naumburg schon gemacht hatten.

Haben Externe bei der Theoretischen Prüfung eine Chance?

Ja. Mit guten Kenntnissen des Inhaltes vom "Stern" ,"Gebauer", Lehnhäuser's "Fach- rechnen", Einleitung vom "Matthes".

Hältst Du das Modell "Naumburg" für o.k.?

Ich halte! Für Keramiker, die in relativ kurzer Zeit ihre Meisterprüfung bewältigen wollen, ist Naumburg eine sehr gute Lösung. Die praktischen Kenntnisse und Fertigkeiten muß man selber mitbringen, wird aber in Naumburg immer Unterstützung und Rat finden, wenn man Schwierigkeiten hat.

Die jedoch ihre Meisterprüfung aus hohen persönlichem Ehrgeiz anstreben, Vieles und Neues dazulernen wollen, die sind mit Fortbildung in Höhr-Grenzhausen besser aufgehoben.
Ein anderer Aspekt, der für Naumburg spricht ist der Finanzielle.

Wie war denn nun das Gefühl danach?

Froh war ich es hinter mir zu haben,
ansonsten fühle ich mich kein bißchen "meisterlicher".

Was machst Du jetzt mit den "Zettel"?

Wenn ich ihn denn hab:
schön rahmen und ins Geschäft hängen, damit ihn auch jeder sieht. Gehört zum Marketing.

Wenn Du's noch mal machen müßtest, was würdest Du anders machen?

...nichts, das war in Ordnung. Na ja vielleicht die Klasse etwas aufmischen, damit nicht nur zugehört, sondern mitgemacht wird.

Trefft Ihr Euch mal wieder?

Voraussichtlich nicht in der ganzen Gruppe, aber in der einen oder anderen Werkstatt den Anderen oder die Eine...

Was war das Schlimmste?

Die Schokoriegelfutterei

Wie war die Unterkunft?

Es gibt ein Wohnheim für Lehrlinge, daß ich selber nicht kenne. Die Meinung darüber war geteilt. Ich bin erst einmal privat in einer Pension untergekommen. Später mit wärmerer Jahreszeit bin ich mit anderen in einen Bungalow auf den Campingplatz, etwas außerhalb von Naumburg gezogen. Das war sehr preiswerte, schön an der Saale gelegen. Zu Fuß gut eine halbe Stunde bis zur Schule. Fahrbarer Untersatz ist zu empfehlen.

Was hat Dich, alles in allem, am meisten beeindruckt?

Nuu, die schöne Gegend...
Wenn man mehr Zeit gehabt hätte in dem Kurs und Sommer gewesen wäre; man hätte an den Weinhängen spazieren , zu den vielen Burgen und Ruinen stiefeln und heftig Wein trinken können.