Porzellan, eine Zukunftschance für die Keramik?
von Ralf Burger

Als Töpfer auf dem Weg in die Selbständigkeit, bin ich immer wieder auf der suche nach neuen Chancen und Ideen, um doch noch irgendwie von Töpfen zu leben. Alles was ich finden kann, verfolge ich begierig. Als dann letztens eine Meldung über eine Ausstellung mit altem Geschirr aus China, das mit einer Dschunke 1822 untergegangen ist im Radio kam dachte ich erst nur an die Möglichkeit, neue Eindrücke zu sammeln, so nach dem Motto: „die können ja nie schaden“.

In der Ausstellung, nur gewöhnliches Gebrauchsgeschirr, alles Serienware, z.B. 80.000 chinesische Suppenlöffel, habe ich dann erfahren, dass das alles versteigert werden soll. Zu ganz normalen Preisen, eher billig, weil, da ist so viel gefunden worden, ...na aber nun mal langsam, der Reihe nach.

Das Schiff sank also 1822 irgendwo in der Nähe des heutigen Indonesiens und lag dort bis 1999 auch friedlich. Auf dem Schiff war viel Porzellan, einige Antiquitäten, Tee, zwei Grabsteine, also alles was man so als Handelsware im 19 Jahrhundert, im „noch“ reichen China benötigte, dazu noch 1600 Passagiere, und 400 Personen, die sowohl Händler als auch Besatzung waren, also alles keine Segelprofis. Und das alles auf einem 60 Meter langen und 10 Meter breiten Schiff. Zwei solcher Boote sind hier nun zusammen gefahren und irgendwie ist das eine auf ein Riff gelaufen, und irgendwie sind die über 1000 Tonnen mit samt Mann, Maus und Porzellan untergegangen. Einige der Menschen konnten sich noch an dem schwimmenden Treibgut festhalten, und nur 400 Menschen konnten Tage später gerettet werden.

Dann lag das Porzellan, und die ganze Dschunke natürlich auch, also unter Wasser und die Muscheln und Korallen machten sich über das Porzellan, das Seewasser über den Sextanten und die Kanone her.

Nun gibt es aber immer noch Menschen die auf Schatzsuche sind, und ein Herr Michael Hatcher mit einer Gruppe weiterer Begeisterter fand nun das Frack, hoben alles aus dem Wasser, und da man mit über 350.000 Einzelteilen Porzellan nicht so viel anstellen kann, wie wenn es gleich Gold gewesen wäre, haben sie sich überlegt, wie man das alles gut zu Geld machen könnte...und nun kommen wir auf die Parallele zu der Töpferei...


Das Auktionshaus Nagel in Stuttgart hat sich bereiterklärt, dies zu übernehmen. Es hat eine originalgroße Dschunke nachgebaut ist mit dem Porzellan um die Welt gefahren, Singapur, Sydney, New York, Paris und als Höhepunkt Stuttgart! Dort sollte nun alles Versteigert werden, und das wie gesagt zu günstigen Preisen, auch für den Normalbürger sollte ein Porzellanservice abfallen.
Ich dachte mir: „ein ganzes Service muss es ja nicht sein, aber ein oder zwei Schälchen wären nicht übel..“.

Nun ich habe mir die Ausstellung angeschaut, und es fanden sich auch einige schöne Stückchen, mit einem Schätzpreis von 10-30.- DM, was sich allerdings beim durchforsten des Kataloges als Einzelpreise von jeweils 6er, 12er oder gar 50er Bündeln herausstellte. Und die Schälchen, die ich mir rausgesucht hatte, wurden nun also an allen der insgesamt 8 Versteigerungstagen angeboten. Wann sollte ich nun hinfahren? Warum nicht gleich am ersten Tag? Oder ist es besser wenn sich die erste Euphorie gelegt hat?

Ich bin also Freitag, den 17. November um halb sechs in der Früh in den Zug nach Stuttgart gestiegen, habe dort im Nieselregen die Zelthalle des Auktionshauses gesucht. Wenig Leute waren dort, aber schon bei der Anmeldung hörte ich, immer in englisch (die Versteigerung wurde wegen der Weltbedeutung natürlich in Englisch geführt!), Zahlen die alle über 500.- anfingen und irgendwo in den Tausenderbeträgen endeten... „1500.- going, 1500.- going, ....and gone to the number......“.

 

Als ich mir es in einer der hinteren Reihen gemütlich gemacht hatte, mit meiner Bieternummer, die ich möglichst in dem dicken Katalog versteckte, ich wollte ja nicht irgendwie mitbieten ohne es zu merken, es war ja schließlich meine erste Versteigerung, überblickte ich das Zelt und die paar Leute darin (vielleicht 200). Im Halbminutentakt wurden nun die Nummern aufgerufen, und als Bild auf eine Leinwand projiziert. Durch einfaches Heben der Bieternummer war man im Rennen. Ich beobachtete aber erst einmal. Und was mir gleich auffiel, das waren die horrenden Preise (für einen Schwaben jedenfalls) für Geschirr, das eigentlich als Massenware für den „normalen“ Gebrauch bestimmt war.



N
achtgeschirr (Urinflaschen in chinesischem Dekor mit viel, viel Kalk, hätte man eigentlich entkalken müssen) gingen für 2000.-DM an die Leute. Weinbecherchen (7,5 cm Durchmesser) waren recht günstig, aber doch noch mit 50.- bis 100.- DM je Stück (im 6er Bündel) oder gar zu 1500.- im 50er Bündel, an den Mann (oder auch an die Frau, wie man ja heute so sagt), und oft an die gleiche Bieternummer. Wie ich von meiner Nachbarin erfuhr, gib es wohl einige Warenhäuser, die im Weihnachtskatalog schon Stücke aus dem Schatz anboten, ohne diese überhaupt zu besitzen.


Ich saß nun also von 9:30 bis 17:30 dort fast ohne Unterbrechung, und beobachtete mit offenem Mund, wie sich die Leute, am Telefon, im Internet, die Briefbieter und die im Saal um die Töpfe schlugen. Und alle 20 Sekunden fiel der Hammer und vorwiegend über 1000.-DM.

Die Schätzpreise wurden fast immer um ein Doppeltes bis 10-faches überboten. Die Frau neben mir meinte: „die Hälfe der Preise wäre etwa das, was man im Antiquitätenhandel bezahlen müsste.“

Ich habe dann doch noch einige Male tatsächlich meine Hand gehoben und versucht mitzuspielen. Leider habe ich aber kein Porzellan ersteigert, denn ich bin immer zu früh ausgestiegen. Die Frau hatte es aber doch geschafft. Sie hat den Zuschlag für einen Dosensatz bekommen, den Sie sich zu Weihnachten und zum Geburtstag zusammen schenken wollte. Es waren drei graue Dosen, die man mit Deckel ineinander stapeln kann. Die Größte hatte einen Durchmesser von 18cm. 2400.- wollte die Frau maximal bezahlen. Für 2200.- hat sie aber schon den Zuschlag bekommen.

Es ist doch beeindruckend, dass es scheinbar in Deutschland einen Bedarf an handgefertigtem Geschirr im höheren Preisniveau gibt.

 

Da nun aber die Preise für vergleichbares Geschirr (ich lasse den Zeitbonus natürlich auch gelten) aus dem Irdenwaren-, bzw. Steinzeugbereich, wesentlich niedriger liegen (oder kostet ein Bunzlauer geschwämmelter Weidling von1800 auch ~1000.- aufwärts?) ist nun meine These die:

Töpfer, macht Porzellan und werdet reich!

Ich für meinen Teil habe auch schon mit meinen ersten Proben angefangen. Ob ich das Geschirr dann aber vor dem Verkauf noch auf eine Baustelle zum Einsauen stelle, das werde ich mir noch überlegen. Wahrscheinlich hatte meine Freundin doch recht, dass das alles nur ein geschickter Werbefeldzug einer chinesischen Porzellanmanufaktur war, die keinen Absatz mehr hatte, ihr Geschirr mit etwas Kalkmörtel besprengte, eine Geschichte erfand, um dann alles im Ausland zu verschachern.