Mosbacher Fayencen


In der Fachwerkstadt Mosbach, einst für kurze Zeit Hauptstadt der Kurpfalz, wovon heute noch Namen wie Pfalzgraf-Otto-Straße, Pfalzgrafenstift, Anlässe wie die Ratsherrnweckfeier oder die Legende vom Mosbacher Lumpenglöckle und die Grabplatte der schönen Kurfürstin Johanna zeugen, wurden in den Jahren 1770 bis 1836 „Mosbacher Fayencen“ hergestellt.

Der damalige Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz (1724/43-1799) war bestrebt, sein Land von der Ausfuhr aus dem „Ausland“ unabhängig zu machen. Er gründete Unternehmen verschiedenster Art so die Porzellanmanufaktur Frankenthal, Tabakfabriken, Rhabarber- und Krapp-Plantagen, Tuch- und Seidenmanufakturen, Färbereien, eine Seidenraupenzucht, eine Perlenzucht in der Steinach und u.a. auch die Mosbacher Fayencenmanufaktur. Mosbach hatte eine Saline für das Salz, das für die Glasur benötigt wurde und mit der leerstehenden alten und neuen Kaserne geeignete Räumlichkeiten.

Die Mosbacher Fayence-Manufaktur gehörte aber weder zu den frühen noch zu den erfolgreichen oder gar innovativen Fayence-Manufakturen Deutschlands. Im Gegenteil, die Produktionsschwierigkeiten waren von Anfang an aus verschiedenen Gründen sehr groß und auf Dauer nicht befriedigend zu lösen.



Trotzdem stellt die Sammlung der Mosbacher Fayencen im städtischen Museum einen umfangreichen und vor allem in der Geschlossenheit des zeitlichen Verlaufs wertvollen Bestand dar. Bruno Walter, Amorbach schreibt in der Zeitschrift „Badische Heimat“: „Die edlen Formen der unzähligen Kannen und Kännchen, Krüge und Fläschchen, Schüsselchen und Becher, Tassen und Teller – alle in ihrer Wirkung noch gefördert und gehoben durch eine ganz feine Bemalung laden unbedingt zu längerem Verweilen ein und bringen wahre Herzensfreude.“ Der Wert der Mosbacher Fayencen liegt also nicht in ihrer technischen Qualität sondern mehr in ihrer ästhetischen Vereinigung von Form und Dekor.

Wie kam es aber, dass die Probleme in Mosbach so groß waren, dass nach nur 66 Jahren die Produktion der Fayencen eingestellt wurde? Zum einen wurde die Mosbacher Fayence-Manufaktur zu einem Zeitpunkt gegründet, als die Fayencekunst in Europa ihren Höhepunkt schon überschritten hatte, andererseits erreichten ihre Erzeugnisse nicht die anspruchsvolle Qualität und Originalität, die wir von den großen Manufakturen kennen.


Das Gelingen einer Fayence hing in erster Linie von der rechten Zusammensetzung der Tonerden ab. In Mosbach hat der Ton diesen Anforderungen wohl nie ganz entsprochen, denn unaufhörlich war man auf der Suche nach brauchbarer Erde. So versuchte man in der Gegend besseren Ton zu finden bzw. mischte verschiedene Tone aus der Gegend zusammen. Ein wesentlicher Missgriff war aber auch, dass man zu frische Erde verwendete, sie nicht wie erforderlich 5 bis 6 Jahre ruhen ließ. Der Grund hierfür wird wohl der stetige Mangel an genügend Betriebskapital gewesen sein, um so große Ausgaben wie das Herbeischaffen, Schlämmen, Versetzen und Lagern einer großen Menge Tons bestreiten zu können. Für die Glasur verwendete man in Mosbach die gewöhnliche Zinn-Bleiglasur, die sogenannte „weiße Schmelze“. Sie bestand aus Bleiasche und Zinnasche, vier Teilen Sand und Küchensalz. Diese Glasur wurde durch verschiedenste Zusätze wie Menninge, Kupferasche oder Braunstein eingefärbt. Doch die Glasur war oft fehlerhaft, warf Blasen, hatte Löcher, schwarze Pünktchen und Risse und sprang manchmal sogar ab. Man versuchte, kleine Fehler durch ein an der betreffenden Stelle aufgemaltes Streublümchen o.ä. zu verdecken. Rußpünktchen wurden durch den zurückschlagenden Rauch im Brennofen verursacht, das Abspringen lag wohl am schlechten Ton und die anderen Übel an den falschen Mischverhältnissen bei der Mischung der Glasurbestandteile und vor allem an der Untauglichkeit des Salzes.

Das Salz der Mosbacher staatlichen Saline führte „fremde Erdteile“ mit sich.

 

Dieses verunreinigte Salz verursachte die Sprünge, dass sogar beim Brennen ständig das Knallen zu hören war. Eine Verordnung von 1779 versagte jedoch, dass „ausländisches“ Salz aus Wimpfen oder Offenau bezogen werden konnte. Die Kurpfalz grenzte an Schwaben, und Württemberg war „Ausland“.

Obwohl heute Baden, in dem die Kurpfalz Dank Napoleon aufgegangen ist und Württemberg seit 1952 ein Bundesland sind, ist selbst heute noch die „Grenze“ zwischen Baden und Württemberg, zwischen den benachbarten Landkreisen Mosbach und Heilbronn spürbar. Ein Beispiel dafür ist der regionale Verkehrsverbund, der sich zwar in Richtung Westen von Mosbach über Heidelberg, Mannheim, Kaiserslautern bis nach Weißenburg über viele Kilometer vernetzen und mit billigen Tickets befahren läßt, aber in Richtung Osten bzw. Württemberg schon wenige Kilometer nach Mosbach in Neckarzimmern, also an der ehemaligen Grenze zum „Ausland“ aufhört.


Die Mosbacher Manufaktur hatte stets große Absatzschwierigkeiten. Einmal war das Geschirr sehr weich und brüchig und im Verhältnis zur Qualität und geringen Haltbarkeit auch teuer. Außerdem war in der Nähe eine erdrückende Konkurrenz von viel älteren, gut eingeführten Fayencenherstellern wie Durlach, Flörsheim, Wiesbaden, Schrezheim, Höchst, Kelsterbach, Offenbach, Crailsheim und Ludwigsburg. Selbst das staatliche Monopol und Einfuhrverbote halfen wenig. Vor allem die vielen Hausierer konnten nur schwer kontrolliert werden. Ein großes Übel war auch, dass viele Kunden ihre Waren auf Kredit kauften und sich in der Bezahlung der Schulden sehr lässig zeigten, so dass viel Geld verloren ging.

So kämpfte die Mosbacher Fayencenmanufaktur viele Jahre nur ums nackte Überleben. 1825 war die Manufaktur so verschuldet, dass die Teilhaber entweder um Aufhebung des „Erbbestandsnexus“ oder um die Erlaubnis, einen Teil der Gebäude verkaufen zu dürfen, baten. Diese Verhandlungen zogen sich über Jahre hin, in der die Produktion fast still stand.

 

In den letzten Jahren hatten die Arbeiter statt ihres Lohnes Geschirr erhalten, das sie selbst verkaufen mussten, um zu Geld zu gelangen. 1836 ging die Manufaktur völlig ein.

Trotzdem haben sich in Mosbach bis auf den heutigen Tag immer wieder kleinere Betriebe, Handwerker und KünsterInnen mehr oder weniger lang und erfolgreich mit der Produktion von keramischen Erzeugnissen beschäftigt.

Diesen Bericht schrieb Wilfried P.A. Boch, Mosbach, nach einem Buch von Erika Brüche-Schwab „Mosbacher Fayencen“, das 1981 im Verlag H. Eiermann, Mosbach, erschienen ist.