Meisterschulen-Serie: letzter Teil ?

Wohin, wenn ich Meister werden will ?

Landshut ? Höhr? Naumburg? Stuttgart ?


Wir befragen frischgebackene Keramikmeister(innen), die zur Vorbereitung

auf die Prüfung eine Schule besucht haben. Diesmal einen Absolventen der

berühmten Keramikfachschule in Höhr-Grenzhausen, wo man den Meister ja

praktisch als Nebenprodukt der Gestalter-Ausbildung mitgeliefert bekommt.

Oder ? Die Fragen hat Jakob Wiener für uns beantwortet.

Er weilt übrigens derzeit in Indien. 1 Woche vor dem Töpferblattwochenende

in Höhr-Grenzhausen hat er sich per Email gemeldet und unsere Fragen beantwortet. Wunder der Technik !


Teil 4:

Höhr-Grenzhausen


Warum wolltest Du Meister werden ? - Warum "Keramik-Gestalter" ?

a) Ich bin trotz aller Diskussionen um den Sinn oder Unsinn des Titels einfach meinem Gefühl gefolgt, das mir sagte: das ist gut für Dich!

b) Um noch einmal richtig herumzuexperimentieren, um nach 2 Gesellenjahren viele meiner eigenen Ideen zu verwirklichen, um meine eigene Handschrift in der Keramik zu finden oder zu verfeinern \ verdeutlichen, um mit mehreren Leuten zu arbeiten und zu lernen.


Was unterscheidet eigentlich die Gestalterausbildung von einer "normalen" Meisterausbildung ?

Es wird schon ein Schwerpunkt auf das Gestalten gelegt, die Theorie ist zwar nicht so ge­drängt, dafür in manchem jedoch umfangreicher.


Wie lange warst Du in der Schule ?

für 3 Schuljahre den Gestalter + ca.9 Wochen um meine Meisterstücke anzufertigen.


Wie war die Zeit ?

Für mich als notorisch Keramikbesessenem: Intensiv, sehr lehrreich in ganz vielen Bereichen total genial, anstrengend, selten auch ganz schön enervierend.

Da ich in Landshut gelernt habe, wusste ich, dass ich mich auf einen Schulbetrieb mit all sei­nen Vor- und Nachteilen einlasse und dass mich kein freies Kunststudium erwartet. Um von der Schule in Höhr profitieren zu können halte ich die Fähigkeit zur Eigenmotivation und -dis­ziplin für EXTREM wichtig!!! Gute handwerklich Fähigkeiten erleichtern SEHR viel, und mir hat die Gesellenzeit da sehr viel Mühen erspart.


Wieviel Schüler wart Ihr und wie hat sich Eure Klasse zusammengesetzt ?

Wir waren 15 (davon nur 3 Männer, der Frauenanteil überwiegt stark) meistens sind's am An­fang ein paar mehr, die sich's dann doch noch anders überlegen...


Welche Teile der Meisterprüfung hast Du in dieser Zeit abgelegt ?

Alle theoretischen.


Was für Prüfungen sonst noch ?

Klausuren in allen nicht prüfungsrelevanten Fächern (s.u.), normalerweise 2 pro Halb­jahr.


Wie hast Du die Schulzeit finanziert ?

Meister-BaföG, ACHTUNG: Das summiert sich in 3 Jahren ganz schön, wird NICHT für die Zeit zur Anfertigung der Meisterstücke genehmigt, muss voll zurückgezahlt werden, wenn man nicht sofort einen Betrieb aufmacht und 2 Leute VOLLZEIT beschäftigt, HAHAHA.


An wieviel Wochen hattet Ihr Unterricht ? Wieviel Tage in der Woche ?

Normale Schulzeit, 5 Tage die Woche.


In welchen Fächern ? (Wieviel Stunden in welchem Fach ?)

Im Moment soll eine Modulunterrichtsform eingeführt werden, genaueres bitte an der Schule erfragen. Hier nur die Fächer (einige nicht die ganzen 3 Jahre, einige wahlweise)

Praktisch: Gefässkeramik, Industr.Fomgest.=Gipse, Plastik u. Relief, Dekogest. (incl. Sieb­druck) Theoretetisch: Gestaltungslehre, Kunstgeschichte, Techn.-u. Freihandzeichnen, Keram. Technologie, Keram. Arbeitsmethoden (= Masse u. Glasurlabor, mehr prakt.), Mathe + Chemie, etwas EDV, an mehr erinnere ich mich nicht.


Was hattet Ihr für Lehrer ?

Wie gesagt, es ist eine Schule, siehe oben bzgl. Motivation. Leider ist Wolf Matthes nicht mehr da, es ist gut wenn man die Qualitäten der Lehrer herausfindet und sich daran orientiert, es gibt einen sehr erfahrenen Brennmeister.


Wo lagen die Schwerpunkte ?

Die Theorie nimmt schon ca. die halbe Zeit weg, es ist SEHR wichtig, die Schwerpunkte selbst zu setzen und sich nicht irritieren zu lassen. Schon gar nicht von Schulnoten!


Wie sind die Werkstätten, wie die Schule ausgestattet ?

Wahrscheinlich eine der technisch bestausgestatteten Schulen überhaupt, wie gesagt, wenn man sich für seine Interessen einsetzt und auch zulangen kann, ist fast alles möglich. Es gibt ALLE mir bekannten Brennmöglichkeiten!!!


Konnte man da auch seine Meisterstücke machen ?

Ja, nach Absprache mit der Schul- u. Werkstattleitung.


Sind die Werkstätten exclusiv für die Gestalter, oder trifft man da auch Leute, die andere Ausbildungen machen ?

Die Berufsschüler haben eigene Werkstätten, die meisten sind einfach ein ganzes Stück jün­ger und es gibt sehr weinig bis keinen Kontakt, ausser mit denen, die direkt den Gestalter ma­chen (1-2 pro Jahr). Die BGL’ler (Berufsgrundschuljahr) oder BVJ’ler (Berufsvorbereitungsjahr) haben meist mit Keramik wenig zu tun. Es scheint mehr eine Maßnahme zu sein, um orien­tierungslose Jugendliche von der Strasse zu holen; mit ihnen gibt es keinen Kontakt oder ge­genseitiges Interesse.


Konntet Ihr in die Werkstätten, wann immer ihr wolltet ?

Leider NICHT, um 17 Uhr 30 ist Zapfenstreich, aber während der Unterrichtszeiten ja ( eigene Prioritäten...)


Hattest Du Schülergefühle, oder war es eher wie eine Fortbildung für Erwach­sene, oder gar ein Studium ?

Ersteres leider manchmal durch die Betreuung, mittleres leider nicht immer durch das allge­meine u. spezielle Sozialverhalten und letzteres in Bezug auf Anerkennung leider nicht.


Mußtet Ihr viel "Blödsinn" lernen ?

Teilweise ja, aber wie gesagt, muss sich für das einsetzen, was einem selbst wichtig ist und sich nicht an irgendwelche nichtssagenden Noten halten.


Was hat Dir gefehlt ?

Jemand, der wirklich mit mir über meine Sachen streitet, der wirklich Interesse an einer kon­struktiven und profunden gestalterischen Auseinandersetzung und Entwicklung über längere Zeit hat. Geht mit manchen Mitschülern.

In einigen Dingen das Hinausblicken über den eigenen kleinen Tassenrand und das sich wirk­lich einlassen aufeinander und der Wille zur GEMEINSAMEN Veränderung; die letzten beiden sind auch für mich oft schwierig gewesen so wie ich bei jedem Problem mitbeteiligt bin...

Manchmal etwas mehr Zeit und Wertschätzung für das Praktische, die Überwindung der Dis­krepanz zwischen Ingenieurswissen und Keramikeralltag...Trifft alles teilweise zu und sollte kein Grund sein, dies nicht verwirklichen zu wollen... werd nicht so heiß gegessen, wie's ge­brannt wird.


Gab es Konkurrenzgefühle unter den Schülern/innen ?

Gab es, ich finde es jedoch meistens erhebend und inspirierend, wenn andere tolle Ergeb­nisse aus den Öfen ziehen und profitiere von der daraus entstehenden Freude ... dadurch, dass je­der sowieso anders ist, scheint mir so etwas fehl am Platz.


Hattet Ihr beispielsweise Kontakt zu anderen Einrichtungen in Höhr-Grenzhausen; was gibt es da überhaupt sonst noch... ?

Fachhochschule für Keramikingenieurstudium, mit den „Ingis“ gibt’s wenig Kontakt, nach dem Motto: „die blöden Künstler, die von Technik keine Ahnung haben – und: die blöden technikhörigen Theoretiker...

Das Institut für künstlerische Keramik (Teil der FHS, Prof. Stehr), da sind die Kontakte und Interessen näher, man kennt sich, trifft sich auf Partys etc...

Dann gibt’s noch die Werkstattgruppe und ihr „Artist of residence“ Projekt und die neue Trialog-Gruppe und sonst noch ein paar interessante Keramiker, für Neugierige leicht aufzuspüren.


Was bringt eigentlich der Gestalterabschluss über den Meisterbrief hinaus ?

Über die gesammelten Erfahrungen hinaus: Meiner Meinung nach kann man heute damit nicht mehr soviel anfangen, wie das mal war, die meisten Schüler sind sich dessen jedoch bewusst.


Wie war der Prüfungsfahrplan ?

Bei der Meisterprüfung (theoretisch) alles innerhalb einer Woche. Zeichnungsabgabe offiziell und bei Nachfrage VORHER, in der Praxis jedoch mit der Präsentation der Stücke.


Hattest Du das Gefühl, gut auf die Prüfungen vorbereitet worden zu sein ?

Ja, hängt auch von der eigenen Lernfähigkeit und -wille ab.


Was entstanden denn so für Meisterstücke ?

Bei uns dieses Mal nur (Krüge) große Gefäße und Schalen, die baukeramische Betreuung ist für eine Meisterstücksituation handwerklich nicht ganz optimal.


Wie hat nach Deinem Eindruck die Zusammenarbeit zwischen Ausschuß und Schule funktioniert ?

O.K., Kommunikation zwischen allen Beteiligten kann sich noch verbessern.


Wer denkt sich eigentlich die Fragen aus, wer wählt die Aufgaben ?

In der Theorie der entsprechende Fachlehrer(muss von der HWK genehmigt werden), in der Praxis die HWK.


Wurdet Ihr bei den Prüfungen fair behandelt ?

Ja, im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern dauert die Prüfung jedoch 16 (= 2 Tage) statt 8 Stunden, es war zeitlich sehr knapp für alle und ein ganz schöner Stress.


Kannst Du Dich noch an die Fragen in der theoretischen erinnern ?

Will ich das überhaupt? Will das etwa jemand wissen? Wer darauf besteht, wird in der Schule von den anderen Semestern informiert, ganz Neugierige können mich unter Jakobwiener@hotmail.com fragen.


Was wurde in der Praktischen Prüfung verlangt ?

Am 1. Tag: Drehen(Serie) einer Schale nach Muster (mind. 3 Stück),Entwurf u. Drehen von Terrinen(Serie, auch mind. 3) Abdrehen + Henkeln.

Am 2. Tag Bauen eines "Leuchtkörpers" aus Platten für den Außenbereich, Dekor :

Zeitgemäßes Weihnachten auf Schalen / Tellern; Fertigen eines Hinweisschildes für ein Mu­seum (Relief), Schnitzen eines ätzenden Gipshenkelmodells, pro Einheit jeweils 4 Stunden, Dekor + Relief je 2.


Wie war das mit der "Mündlichen" ?

Bei vielen Grund zur erhöhten Adrenalinausschüttung, am Ende halb so wild, obwohl 10 Mi­nuten ganz schön lang werden können...


Hattet Ihr Gelegenheit mit dem Ausschuß über Eure Meisterstücke zu sprechen

Jein, wir sollten vorher kurz etwas dazu sagen. Die Bewertung war etwas sparsam, es hat wohl noch nie ein "Sehr gut" gegeben, das wäre wohl doch etwas zuviel verlangt...


Wurdet Ihr über die Prüfungsergebnisse detailliert informiert ? Ja, auf Anfrage.

Wieviel % haben bestanden ?

Diesmal 100, aber in den Jahren davor hat es auch Wiederholer gegeben.


Gab es externe Prüflinge und wie ging`s denen ?

JA, zwei; Dem Anschein nach ganz gut bis O.K. Werden aber extra geprüft, und da weiß ich nix 'drüber.


Hältst Du das Modell "Höhr-Grenzhausen" für nachahmenswert ?"

Ich weiß nicht, wie sich das Modulsystem bewähren wird, ansonsten mit gewissen Änderun­gen ja.


Wie war denn nun "das Gefühl danach" ?

Direkt nach der Prüfung: Super und super K.O., jetzt scheint alles schon Lichtjahre weit weg...


Was machst Du jetzt mit den "Zetteln" ?

Sind in irgendeiner der weitverstreuten Kisten meines aufgelösten HAUSSTANDES verstaut.


Wenn Du's noch mal machen müßtest, was würdest Du anders machen ?

Ich mach's nicht noch mal; Ich würde mir wünschen, manche Dinge etwas losgelöster vom persönlichen sehen zu können...


Trefft Ihr Euch mal wieder ?

Ich hoffe, einige auf jeden Fall, die Keramikerwelt ist nicht so groß.


Kann man nach 3 Jahren Höhr-Grenzhausen eigentlich noch Keramik sehen ?

Für mich persönlich wird es jeden Tag spannender, und ich hoffe, dass das die nächsten 60 Jahre so weitergeht...


Was war das Schlimmste ?

Lernen für Technologieklausuren, wenn man sich doch ganz sicher ist, dass man KEIN Inge­nieur werden will, Haarspalterei nach der Klausurrückgabe, Manchmal die Realitätsferne ge­wisser Ansichten...das werden ehemalige sicher verstehen...


Was hat Dich, alles in allem, am meisten beeindruckt ?

Der Ton selbst, seine unglaublichen und wunderbaren Qualitäten und Möglichkeiten, die Tat­sache dass man fast keine Kraft braucht, um sie aus ihm herauszuholen. Die immense Freude während des Schaffens, das Gefühl Teil eines sinnvollen Prozesses sein zu können...Sodabrand...so vieles mehr...


Lieber Jakob, vielen Dank. Wir freuen uns schon auf Deinen Bericht aus Indien!

Im nächsten Töpferblatt befragen wir jemanden, der versucht hat, Keramikmeister zu werden, ohne eine Schule zu besuchen...

Rahmen1Da bleibt kein Auge trocken ! Versprochen !