Wieso eigentlich gerade nach Mozambique?

Ein Reisebericht von Mani Tille


Kenia, Tanzania, Senegal, Simbabwe, Südafrika, Namibia - heutzutage keine unübli­chen Reiseziele mehr. Afrikanische Verlockungen wie Trommeln, Tanz, Tiere, Natur pur sowie der Reiz des schwarzen Kontinents sind doch Beweggründe für uns Euro­päer, sich eine Batterie Impfungen zu verpassen, die garnicht ohne ist - verbreitete Nebenwirkung der Malariaprophylaxe sind z.B. Alpträume.

Die hatten wir allerdings schon vor Einnahme der ersten Ration, denn es ging nach Mozambique: Mehrere Jahrhunderte portugiesisches Kolonialgebiet, dann 15 Jahre Unabhängigkeitskrieg gegen die portugiesische Vorherrschaft, danach endlich Unab­hängigkeit - aber nur für ein Jahr, um dann wieder in 15 Jahre Bürgerkrieg, der von außen angezettelt war, zu verfallen. Seit zehn Jahren im Wiederaufbaustadium, „Ruhe im Land“:

Kaum Tourismus, 2700 km unberührter Strand, Kriminalität gravierend steigend, enormer Fischreichtum, Unterernährung, Lebensfreude, registrierte AIDS-Rate 25%, vermutete 40%, wenige stinkereich, viele bitterarm, keine Rassentrennung, Schul­pflicht, eine wachsende Anzahl von Straßenkindern, 20 (zwanzig!) Anästhesisten auf 8 Millionen Einwohner, eine ausgebaute Straße von Nord nach Süd, unberührte Natur, Minenfelder, usw.usw...

Dass das keine Erholungsreise wird, war sogar uns klar. Nach Berichten unserer Gast­geberin über zunehmende Überfälle und anstehender Präsidentschaftswahlen während unserer geplanten Reisezeit schwand unsere Gruppe von 5 auf 2 Personen, die der trotzdem verlockenden Einladung folgten:

Ein Keramikworkshop Deutschland - Mozambique, unterstützt vom Auswärtigen Amt und initiiert von Ruth Eigelshoven, seit 3 Jahren Leiterin und Lehrerin in der Kerami­kabteilung der Escola de Artes Visuais in Maputo, Hauptstadt des Landes.

Außer der gemeinsamen Freundin Ruth, die dort als Entwicklungshelferin für Dienst in Übersee tätig ist und unserem Thema Überschlagtechnik hatten wir, Theo und ich, nichts gemeinsam, abgesehen von dem ersten Kennenlernkaffee 3 Monate vorher und unzähligen Telephonaten: Fahren wir, fahren wir nicht, fahren wir... - wir waren beide neugierig und hatten gleichzeitig nicht die geringste Lust auf ein Messer an der Kehle! (Ruth hatte schon 4 davon...)

Wir fuhren und kamen, um es vorwegzunehmen, heil zurück, zu allem Überfluß auch noch mit einer neuen Freundschaft, entstanden durch die gerade mal dreiwöchige Reise, ein gemeinsam gehaltenes Seminar in der Überschlagtechnik (wir bauten 2 Wochen mit 14 wunderbaren Schülern und Schülerinnen der 4. + 5. Klasse eine in sich verdrehte Säule und ein Krokodil, beides entworfen und dekoriert von den Schü­lern) und zahlreichen, gemeinsam erlebten Momenten in vielfältigen Situationen. Und die waren in den unterschiedlichsten Richtungen eindrucksvoll:

Das ewige Warten auf irgendwas oder -wen, spannende unheimliche zwei Stunden in einer Schilfhütte als Zuschauer einer christlichen Messe mit Voodooelementen, wun­derbare Tage am Indischen Ozean, Kinder, die uns am Strand um Essen baten und sich noch über den abgenagten Fischkopf stürzten, die Fröhlichkeit der Menschen auf dem Land trotz bitterster Armut, die Straßenkinder in der heruntergekommenen Hauptstadt, die Unbekümmertheit, was die Zukunft betrifft, die Fähigkeit, mit einer Würde Dinge auf dem Kopf zu tragen, wofür wir einen Schubkarren brauchen, die Phantasie, aus einfachsten Dingen oder gar Schrott etwas Nützliches oder Schönes zu machen, die Gleichgültigkeit, wenn einem gerade etwas nicht wichtig ist, unglaubliche Geduld und Ruhe, das Vergessen können...

Ständig pendelten wir zwischen den Extremen.

Langsam verstand ich, was Ruth damit meinte, als sie mir lange vorher sagte: Afrika ist Ja und Nein gleichzeitig, faszinierend und abstoßend, Liebe und Hass, Oberfläch­lichkeit und Intensität, Faulheit und Ausdauer im Überlebenskampf, eine Mischung aus „Nix wie Hin“ und „Nix wie Weg“ im ständigen Wechsel.

Diese Welt hat mich „Wohlstandsbürger“ gepackt und das „Nix wie Weg“ setzte bis zum Schluss nicht richtig ein.

Wieder zu Hause hatte ich erst mal wochenlang damit zu kämpfen, wieder in unser Tempo und unseren alltäglichen Wust aus Verpflichtungen und Notwendigkeiten rein­zukommen, es erschien mir so überladen, überzogen, übermäßig... Inzwischen geht es wieder, aber ganz tief drinnen steckt ein Keim und ich weiß: er wächst! Was ganz klar geblieben ist, sind einige neue Wertigkeiten: Größere Bescheidenheit, mehr innere Ruhe, Gelassenheit. Und meine Scheu vor „schwarz“, die vorher ganz klar da war, hat sich in Neugier verwandelt. Wenn die Wirkung nach 3 Wochen schon so groß ist - was passiert dann mit mir, wenn ich das nächste Mal länger nach Afrika fahre? Und das werde ich tun nach dem Motto: Nix wie Hin!