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Frankreich

Einreise, Aufenthalt, Arbeitsaufnahme

Sie können sich drei Monate ohne Beachtung besonderer Formalitäten im Lande aufhalten. Nach Ablauf der drei Monate müssen sie im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung sein. Die Arbeitsaufnahme kann bereits vor Abschluß der zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung notwendigen Formalitäten erfolgen. Für die EG-Staatsangehörigen wird ein besonderer Ausweis ausgestellt. Er trägt die Bezeichnung: "Carte de Séjour de Ressortissant d'un Etat de la Communauté Européenne".
Der Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung muß bei der für den Wohnsitz zuständigen Behörde gestellt werden; in Paris bei der Präfektur (Service pour Les Ressortissants du Marché Commun, 9 Boulevard du Palais), im Pariser Becken bei den einzelnen Präfekturen, in der Provinz bei Polizeikommissariaten oder Gemeindeämtern. Hierbei sind der Personalausweis des Heimatlandes und eine Bescheinigung des Arbeitgebers in Frankreich (diese in drei Exemplaren) vorzulegen.
Arbeitnehmer, deren Tätigkeit in Frankreich drei Monate nicht überschreitet, bedürfen keiner Aufenthaltsgenehmigung. Sie müssen sich jedoch innerhalb einer Woche bei der zuständigen Polizeidienststelle oder Gemeindeamt melden.
Alle Arbeitnehmer - auch ausländische - geniessen den vollen Schutz des Sozialversicherungssystems. Mit der Aufnahme der Beschäftigung werden sie in der Kranken-, Alters- und Arbeitslosenversichrung pflichtversichert. Sie erhalten die gesetzlichen Familienbeihilfen und sind durch den Arbeitgeber gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten versichert.
(Quelle: Bundesverwaltungsamt)

Botschaft der Republik Frankreich
Kapellenstr. 1A
53121 Bonn-Bad Godesberg
Tel.0228/362031

Töpfervereinigungen:

Association des Potiers de La Borne
18250 La Borne
Henrichement

Terres de provence
Laurence Barthelet-Rickenbacher
9 avenue Thiers
06130 Grasse

Keramikzeitschriften

Einige ältere Adressen:

Literatur

Sonstige Hinweise

Das "Centre d'Information et du Documentation Jeunesse", 101 Quai Branly, 75740 Paris Cedex 15, schickt euch kostenlos eine Liste der "centres regionaux" und der vielfältigen Drucksachen, die sie vertreiben. Diese Zentren sollen Anlaufstelle für Information und zur Vermittlung von kurzfristigen Jobs sein - ausprobieren! Die Liste der Drucksachen ist sehr umfangreich: Arbeitssuche, Arbeitsrecht, Freizeit, Soziales, Unterkunft, Ausbildung, Schulen etc. Eine sehr hilfreiche Informationsquelle, wenn man ungefähr weiß, wonach man sucht.
Vermittlung von Arbeitsstellen (aber kaum für Töpfer) auch möglich bei
Inter Echanges
9 rue de Valence
75015 Paris

Arbeitsamt:
Agence National pour l'Emploi (ANPE)
Service specialise C.E.E.
26 rue Youri-Gagarin
94400 Vitry-sur-Seine Tel.1/6819005

In Frankreich gibt es einen Mindestlohn, den sogg. SMIC. Der betrug 1988: 27,84 FF std. = monatlich 4704 FF (39 Stunden Woche).
Es gibt einige Arbeitsprogramme für Frankreich, die von CDG etc. durchgeführt werden. Siehe Programme!

In der Krankenversicherung müssen die Mitglieder alle anfallenden ambulanten Behandlungskosten vorab selbst begleichen, die anschließend von den Krankenkassen zu 70-90% erstattet werden.
Um beim Eintritt in die Krankenversicherung die gesetzliche Wartezeit auf Leistungen aufzuheben, muß der Vordruck E 104 der vorherigen deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vorgelegt werden.

Töpfermarkt und 'Keramik-Festival' alljährlich an Ostern in Bandol, Südfrankreich. Neben dem Töpfermarkt mit ca. 50 Ausstellern gibt es Workshops, Gespräche und Ausstellungen.

Deutsch-Französisches Jugendwerk
Rhöndorferstr.23
53604 Bad Honnef
Führt vielfältige Programme in Frankreich, auch für junge Arbeitnehmer, durch.

Kurse, Schulen:

C.N.I.F.O.P. (Centre National d'Initiation, de Formation et du Perfectionnement de la Poterie et du Gres), Route de Saint-Saveur, 58310 Saint-Amand-en-Puisaye.
Ein privates Berufsbildungszentrum, das eine Vielzahl von professionellen Kursen durchführt. Es scheint die Möglichkeit zu geben, dort auch als Praktikant eine Zeitlang mitzuarbeiten (und so die enormen Kursgebühren zu vermeiden), aber Genaues konnten wir leider nicht rausbringen.
Agir Ceramique, Ferme de regagnas, 30770 Alzon France. Tel. 3367820167, Fax 3367820331. Grundausbildung und Aufbaukurse, Ferienkurse.

Ausbildung zum Scheibentöpfer (CAP tourneur en poterie):

Ausbildung zum Keram-Maler (CAP décorateur-céramiste):

Museen

Erfahrungsberichte

Ausbildung in Frankreich

Auf unserer Fahrt durch Frankreich im letzten Jahr interessierten mich die Ausbildungsmöglichkeiten zum Keramiker. Erst ein halbes Jahr vorher hatte ich meine Ausbildung hier in Deutschland beendet und in manch düsteren Nächten suchten mich die Erinnerungen an die Berufsschule heim.
Da war ich schon sehr neugierig, ob es nicht andere Lernformen im Nachbarland gäbe.
Doch - oh Schreck - die Franzosen haben es diesbezüglich nicht leichter. Ihr handwerkliches Ausbildungssystem sieht gänzlich anders aus. Mit dem König wurden während der Revolution auch die Innungen entmachtet und alle Ausbildungen wurden seitdem zentralgesteuert. So existiert eine mit der unseren vergleichbare Lehre. Sie dauert 2 Jahre und 1-2 Tage (in der Woche) besucht der Lehrling die Berufsschule. Doch ist das Lehrlingsentgelt handwerksübergreifend geregelt und darf einen bestimmten Betrag nicht unterschreiten.

Diesen Kosten fühlen sich nur sehr wenige Betriebe gewachsen. So führen die Berufsschulen ein Doppelleben und fungieren in erster Linie alds private Ganztagsschulen, die in 9-12 Monaten frei schwebende Keramiker bar jeder Anstellungsschancen ausbilden. Daß darüber niemand glücklich ist - weder die Auzubildenden, Betriebe noch die Schulen-, reicht nicht, um die Situation zu ändern.
Immerhin haben sich, auf Veranlassung einiger zu arg von der Situation gepeinigter, Schulleitungen und Vertreter der regionalen Töpferorganisationen an einen Tisch gesetzt - daß irgendjemend auf die Idee gekommen wäre, Auzubildende an dem Gespräch zu beteiligen, ist nicht bekannt; daß viele Auszubildende die Volljährigkeit überschritten und als Umschüler zur Keramik gefunden haben, ändert an dieser gewollten Unmündigkeit auch nichts. Leider ist das bei uns auch nicht viel besser.
Das Treffen fand im Juni letzten Jahres statt. Das ernüchternde Ergebnis war, daß festgestellt wurde, daß nichts an der Situation zu ändern sei. Es gäbe keine Veranlassung für ein weiteres Treffen der Beteiligten. Die Schulen erhalten nur begrenzt Zuschüsse pro Auszubildendem und sind gezwungen möglichst viele schnell auszubilden und die Werkstätten können mit denjenigen dann nichts anfangen.
Dennoch gibt es Einzelwege und Versuche aus dem Dilemma zu entweichen. Als ein Beispiel einer Ausbildungsstätte, die uns gut gefallen hat, sei das Maison de la Céramique in Moulhouse genannt. Es ist Galerie und "Schule" in einem. So stehen die Schüler in vielfältigem Kontakt mit den ausstellenden Keramikern. Die Ausbildung erstreckt sich auch nur über ein Jahr, dafür aber wird nur eine kleine Schülerschar beschult.

Eine Bemerkung zum Schluß der töpfer-schöpferischen Szene. Viele der etablierten Keramiker haben ihr Handwerk als Autodidakten und mittels Praktika gelernt. Ergebnis ist ein unserer Ansicht nach vielfältigeres, individuelleres Gesamtbild als hierzulande.

Margret Bergmann

Gustave Tiffoche - eine Töpferei in der Südbretagne

Ein hinreißend nettes, junggebliebenes Ehepaar Ende 50. Gustave ist Autodidakt, war vorher Schiffszeichner auf einer Werft und hat sich dann mit viel Idealismus eine blühende Töpferei aus dem Nichts aufgezogen. In ihren besten Zeiten haben sie mit mehreren Drehern jede Woche einen 2 cu.m Gasofen gebrannt, zusätzlich gibt es noch einen 1 cu.m Holzofen (Sevrestyp). Gustave ist ein Universaltüftler, der sich alles selbermacht, von seinem Haus angefangen bis zu den Öfen, Scheiben und dem letzten Arbeitsutensil. Er verfügt über einen Pep und eine Kreativität, die mich bei seinem Alter immer wieder in Staunen versetzt hat. Inzwischen ist ihm das Drehen von Gebrauchskeramik zu langweilig, es interessiert ihn mehr zu malen und Skulpturen zu schaffen, von Kleinstobjekten bis zu monumentalen Brunnen oder Architekturgestaltungen.
Damit hat er sich in Frankreich einen Namen gemacht. Für das regelmäßige Einkommen ist er aber anscheinend trotzdem noch auf das "Utilitaire" angewiesen.
Ich glaub aber auch, daß es ihm einfach wehtun würde seine schöne große Werkstatt leerstehen zu sehen. So stellt er immer wieder Leute an - entweder welche die bei ihm lernen und dann ein paar Jahre bleiben - oder solche wie mich, die bei Bedarf für eine befristete Zeit kommen und ihm die Bude volldrehen. Seine Gebrauchskeramik ist, verglichen mit dem was er selbermacht, relativ anspruchslos; das was man im letzten Jahrzehnt in Frankreich viel gesehen hat: graue, braune, grüne Ascheglasuren mit leicht pyritiertem Puisaye-Ton (aus La Borne). Seit letztem Jahr versucht er etwas mehr Farbe reinzubringen.

Uli Lauster


Losgezogen bin ich auf gut Glück zu einem Töpfer, den ich auf der Handwerksmesse in München kennengelernt hatte. Er ist eher Innendekorateur als Töpfer und baut Springbrunnen aus zusammengeklebten, offenen Tonkugeln zusammen. Bei ihm blieb ich vier Monate, um dann endlich mit den "richtigen" Töpfern in La Borne zu beginnen.
Wie ihr bestimmt gehört habt, ist dieses Dorf ein spezielles Pflaster. Arbeit findet man oft nur mit viel Glück, generell ohne Bezahlung oder Logis. Deshalb sollte man wirklich nur bei dem Töpfer arbeiten, von dem man glaubt am meisten lernen zu können. Aber im Grunde liegt es an jedermanns Selbstbewußtsein, inwieweit er die Bedingungen ertragen will oder nicht.
Es ist wirklich nicht leicht dort etwas zum Wohnen zu finden (obwohl die "La Borner" schon seit Jahren von Gemeinschaftsunterkünften sprechen).

Ich bereue mein halbes Jahr bei Jean Linard keineswegs, denn was ich bei diesem Mann gelernt habe, war mehr als keramische Tricks oder Feinheiten. Es war eine neue Weltsicht und hat mir vollkommen neue Perspektiven eröffnet.

Wer auf jeden Fall immer "Stagieres" benötigt ist Eric Astoul, ein superguter Dreher mit sehr viel subtiler Schönheit (Holzbrand) und die Schweizer Roland und Catherine (etwas traditioneller, auch Holzbrand). Aber es liegt an jedem selbst, wie offen er ist und inwieweit er die französische Individualität tolerieren kann.

Nach einer kurzen Erholpause bin ich in Richtung Süden gefahren, denn das Wetter in La Borne ist naß und traurig. Nach einer Woche herumfragen bin ich schließlich bei Pierre Dutetre in Allioules (Nähe Toulon) gelandet. Er ist ein junger, sehr engagierter und vor allem sehr sozialer Töpfer. Er spezialisiert sich immer mehr auf den Bereich des Dekors und was mir vor allem gefällt, ist die Offenheit seines Ateliers. Immer ist etwas los!
Leute kommen um zuzuschauen oder mitzuarbeiten, andere Töpfer, die den Austausch suchen, oder einfach nur Hobbykünstler oder auch mal ein Faszinierter, der den Ton berühren möchte. Pierre hat eigentlich immer Stagiéres, die für ihn gegen geringe Bezahlung arbeiten (davon zu leben, hier in dieser Gegend, ist utopisch). Er organisiert zu Ostern die immer bekannter werdenden Workshops und Töpfermärkte von Bandol.

Im Bereich Menschlichkeit, Fairneß und Toleranz wird man hier nur positiv überrascht werden, wenn man die deutsche Engstirnigkeit und Konkurrenzangst gewohnt ist. Was die Arbeit betrifft, so liegt es für jeden in seinem Ermessen, wo er wieviel lernt und wie schnell, denn das Allerletzte was Pierre ist oder sein möchte, ist ein Meister.
Am Anfang hatte ich damit Schwierigkeiten, weil mir die konstruktive Kritik fehlte und weil ich unfähig war Ideen und Kraft aus mir selbst zu holen und umzusetzen.

Auf alle Fälle gibt es im Süden einige Töpfer, die Stagiéres brauchen, z.B. in St. Quentin-la-Poterie bei Patrick Galtié (terre vernissée) oder bei Patrice Voelkel in St.Zacharie (grés).
Ansonsten findet jedes Jahr im Spätherbst in Nimes eine Handwerksmesse statt, wo fast alle Töpfer aus dem Süden ausstellen und wo leicht erste Kontakte geknüpft werden können.

Caroline Seiler


Hering in Frankreich

Was ist hier anders? Die Franzosen sind voller Begeisterung für Keramik und finden es toll wenn man als Töpfer arbeitet. Nur geben sie zuallerletzt Geld für Keramik aus. Jeder den man kennenlernt, will ganz sicher sehr bald vorbeikommen und viele Töpfe kaufen, aber es kommt nie einer.
Auch wenn wir es nicht gerne zugeben: Ohne die deutschen und englischen Touristen wäre unser Absatz wesentlich geringer.

Töpfermärkte haben hier eigene Gesetzmäßigkeiten. Der Erfolg eines Marktes wird nicht nach Umsatz gemessen, sondern man freut sich, Kollegen zu treffen, mit denen man ißt und trinkt. So ist ein Töpfermarkt ohne den Eröffnungsumtrunk samstags um 11 Uhr nicht vorstellbar. Um 12 Uhr verschwinden Kunden und Töpfer zum Mittagessen in die nahe gelegenen Restaurants, und gegen 15 Uhr findet man sich wieder ein, wohlwissend, daß es gegen 20 Uhr für alle Töpfer ein gemeinsames Abendessen gibt. Die Teilnahme ist für jeden selbstverständlich. Der Verkauf ist nur ein Teil der Töpferei.

Genehmigungen für die Erweiterung der Werkstatt regelt man am besten mit dem Bürgermeister vor Ort. Das erspart den uns so verhaßten Papierkram. Die Freude, es einmal wieder ohne die Behörden aus der Departmenthauptstadt geschafft zu haben, ist auf beiden Seiten.
Überhaupt regelt man kleine Arbeiten von Handwerkern und auch sonstige Gefälligkeiten von Nachbarn und Bauern gerne im Tauschhandel mit Töpfen. Ein Topf von einem Töpfer, den man persönlich kennt, hat einen hohen Stellenwert.
Um hinter die Gesetzmäßigkeiten für Gas- und Strompreise zu kommen, brauchten wir fast zwei Jahre. Die Preisunterschiede sind erheblich, und vor allem von den Deutschen nimmt man doch gerne zunächst das Höchstmögliche und läßt sich nur ungern auf Preisdiskussionen ein.

Was für uns als Geschirrtöpfer vor allem wichtig und gut ist, ist die Einstellung der Franzosen zum Kochen, Essen und zu Lebensmitteln. Wir glauben, daß der Töpfer, der hierzu keinen Bezug hat, auch kein gutes Geschirr machen kann. Die Fülle von schön präsentiertem Obst, Gemüse und Käse fordert geradezu neue Ideen.
Wenn wir zu uns selbst kritisch sind, so muß man sagen: Wir versuchen, uns mit der Herstellung von Luxusgegenständen ein einfaches Leben hier in Frankreich zu finanzieren. Dies alles ist eine Illusion - aber eine sehr schöne.

Alfred Hering & Monica Stüttgen
(aus: Keramik-Magazin 4/94)


La Borne en Hiver

Welcher Töpfer haben nicht schon mal von la Borne gehört? Die meisten waren auch schon dort, um zu schauen, was so los ist in diesem einzigartigen Dorf, und einige haben hier sogar ein Praktikum gemacht,um zu lernen, was (hier) drehen, dekorieren, brennen, sehen, leben heißt...
Für alle Nichtinformierten ein kurzer Überblick: La Borne und Umgebung, mitten in Frankreich gelegen (Centre/Cher), zählt mittlerweile über 50 Töpfereien, die von Gebrauchskeramik über Einzelstücke, Reliefs, bis hin zu Objekten und Skulpturen ein breitgefächertes Spektrum bieten. Alle arbeiten mit Steinzeug (bei mindestens 1250°C gebrannt), wenige arbeiten ergänzend noch mit Raku und/oder Porzellan; noch weniger Ateliers bieten Irdenware an.
Viele Töpfer bleiben der hiesigen Tradition beim Brennen treu und besitzen Holzöfen mit einer Größe von 1,5 cu.m bis hin zu 25cu.m (Gemeinschaftsöfen). Entsprechend unterschiedlich lang ist die Brenndauer, die aber auch vom Ofentyp abhängig ist.
Beim Drehen wird ebenfalls eine traditionelle Technik angewandt, die es ermöglicht, selbst weichen Ton ohne weiteres zu 5-lOkg - Gefäßen auszuformen, ohne daß diese zusammensacken und sich leicht(er) zentrieren lassen.
Trotz dieser grundlegenden Gemeinsamkeiten hat jede Keramik ihren individuellen Stil, der durch die Art der Präsentation noch verstärkt wird: alle Verkaufs- und Ausstellungsräume sind Teil des Hauses, in dem auch Atelier ünd Wohnbereich zu finden sind. Dadurch entsteht eine sehr persönliche Atmosphäre, in welcher sich die Kunden mehr als Menschen fühlen können, denn als Käufer. Das ist eine eigene Verkaufsstrategie, die allerdings auch Schattenseiten hat; gibt es doch Leute, die auch abends um 10 noch schauen und gern gesehen sein wollen. Fast alle Töpfer/ Keramiker/ Künstler sind in einer Assoziation zusammengefaßt (association des potiers), die in der ehemaligen Mädchenschule La Borne's in einer ständigen Ausstellung den Mitgliedern einen begrenzten Platz zur Verfügung stellt, um dort eine Auswahl ihrer Arbeiten zu zeigen. So können sich Unkundige oder Unentschlossene in diesem "centre d'exposition" einen groben Überblick über die hiesige Vielfalt der Keramik verschaffen und gezielt(er) diverse Ateliers ansehen die ihrem Geschmack entsprechen. Die geschichtliche Entwicklung der Keramik in dieser Gegend läßt sich anschaulich mit Hilfe von Funden, Nachbauten, Texttafeln, Fotografien, Zeichnungen und Video in einem Museum verfolgen, welches in der ehemaligen Kapelle -direkt neben dem centre d'expo- eingerichtet wurde. Nun - da la Borne so bekannt ist, habe auch ich einen Trip dorthin geplant. Ich griff sofort zu, als ich im letzten Sommer eine Praktikumsstelle für diesen Winter fand. Seit Ende Oktober bin ich hier, arbeite in einem Atelier mit festen Arbeitszeiten (täglich von 8-12 und 14-18 Uhr) und verstehe nun, warum mir eine Ex-Praktikantin in ironischbemitleidendem und wissendem Tonfall "viel Spaß" wünschte, als sie hörte, daß ich über den.Winter in la Borne sein werde: die Gegend scheint mit Regen und Nebel einen Pakt geschlossen zu haben, erst dann wieder die Sonne scheinen zu lassen, wenn alles, aber auch wirklich alles durchnäßt ist und durch knöchelhohen Schlamm watet!
Durch die -im Winter übliche- Kälte und Feuchtigkeit findet natürlich alles Leben drinnen statt und nicht mehr in der Straße, auf den Wiesen, im Garten, vor den Wohnwagen. Manchmal habe ich den Eindruck bei einem Spaziergang durchs Dorf, es sei wie ausgestorben; eine Kundin sagte mir einmal, sie komme sich vor wie im Mittelalter... Doch, gewußt wo, ist überall gesellschaftliches Leben anzutreffen; meistens um den wärmenden Ofen (natürlich mit Holz heizend) versammelt, um feuchtkalte Hände und nasse Füße zu wärmen.

Seit Weihnachten bin ich die einzige Praktikantin hier (es gibt sonst nur noch einen Lehrling) und somit zwangsläufig auf den Kontakt der (Wahl-)la Borner angewiesen. Das klappt sehr gut, da viele eine offene, herzliche Art haben und mich willkommen heißen wenn mir mal -mal wieder?- die Decke auf den Kopf fällt... Die Gemeinschaft in diesem Dorf drückt sich zum Beispiel auch dadurch aus, daß für einen Abend in der Woche gemeinsam musiziert wird, daß im Gemeinschaftssaal (salle de fetes) öffentliche Filmvorführungen, Konzerte oder auch ein Tanzkurs organisiert werden. Im Februar war dann "carnaval" angesagt, an dem wir alle fieberhaft vorbereiteten, (Plakate malten, Brunnen und Zäune und Häuser schmückten); es hörte an dem Tag sogar auf zu regnen!

Weitere Höhepunkte in dieser Zeit sind sämtliche Ofenbrände, bei den -noch stärker als im Sommer- Interessierte mal kurz, mal länger vorbei schauen, miteinander reden, alte Ereignisse wieder aufwärmen, Erfahrungen austauschen, sich am Ofen wärmen... ein großes (Töpfer-)gesellschaftliches Ereignis und für stagieres besonders interessant, gibt es doch wieder Neues zu lernen und der neueste Klatsch macht die Runde. Und wenn ich schon lange nicht mehr durchblicke in all diesem Beziehungswirrwarr mit Kind(ern), schwanger, Trennung, Versöhnung, gemeinsamer Ofen aber getrennte Betten, und das ganze auf französisch, usw., usf, haben die anderen mittlerweile ihre Neugier gesättigt und können auch mal gemeinsam schweigen, um dem Knistern des brennenden Holzes zuzuhören... was in dem Ofen gerade vorgehen mag?
Schon vor diesem Praktikum besaß ich eine gewisse Faszination für Holzöfen -hier in la Borne ist es zu einer Liebe herangewachsen. Wenn ich mir diese riesigen, liegenden (Tunnel-)Öfen ansehe, mit rotem Lehm-Sand-Gemisch verputzt, dazu ein eigenes Dach, in sich ruhend, auch wenn innen ein Feuer tobt und die Flammen voller Wucht gegen die Töpfe prasseln, die Risse im Putz von Brand zu Brand größer werden und die Kraft im Innern erahnen läßt, welche es sogar fertigbringt, 1350°C - Kegel fallen zu lassen, -wie alle mit glänzenden Augen um die Feuerungstür stehen und zusehen, wie Holz nachgelegt wird, ohne Pyrometer, Strom und Schnickschnack auszukommen ist und trotzdem (oder gerade deswegen) wunderschöne Töpfe herauskommen, eine lebendige Sprache sprechend, gezeichnet von den Flammen, Ausdruck besitzen, erzählen, wie kein Topf eines Elektroofens es je vermag - wer kommt da nicht ins Schwärmen? Schon jetzt, wo ich noch gar nicht mit dem Praktikum fertig bin, kann ich sagen, daß ich viel gelernt habe. Die wichtigste Erfahrung ist für mich, daß das Ausland geradezu ein Muß ist, um den Horizont mit anderen Arbeitsmethoden zu erweitern, andere Produktionsabläufe zu erfahren (manche Töpfer brennen hier bloß 2, 3, 4 mal im Jahr). Es gibt unzählig viele Dinge, die einen Auslandsaufenthalt lohnenswert machen, - es muß ja nicht unbedingt la Borne sein. Aber: la Borne lohnt sich auch - vielleicht sogar besonders im Winter, welcher alle Erfahrungen durch weniger Ablenkung intensiver werden läßt.
Na, Feuer gefangen?

Simone Neumann


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