Meisterschulen-Serie

Wohin, wenn ich Meister werden will ?

Landshut ? Höhr? Naumburg? Stuttgart ?

Wir befragen frischgebackene Keramikmeister(innen), die zur Vorbereitung auf die Prüfung eine Schule besucht haben. Diesmal einen Absolventen der "anderen Meisterschule" in Stuttgart, im nächsten Töpferblatt knöpfen wir uns Naumburg vor. Dabei sollen die Fragen, der besseren Vergleichbarkeit halber, gleich oder zumindest ähnlich bleiben.

Die Antworten sind von Christian Sautier, sind natürlich subjektiv und geben nicht die Meinung der ganzen Klasse wieder.

Teil 1: STUTTGART

Warum wolltest Du Meister werden ?

Vor allem, weil ich in der Keramik etwas dazulernen wollte.

Wie lange warst Du in der Schule ?

1 Schuljahr.

Wie war die Zeit ?

Es war das intensivste und anstrengendste Jahr meines Lebens. Ich hab's allerdings auch noch nie im Leben geschafft, mich so intensiv auf ein Ziel zu konzentrieren. (beruflich gesehen, jedenfalls)

Stressig war auch immer der Wechsel von München nach Stuttgart am Dienstag abend. Aber menschlich war Stuttgart eine gute Erfahrung.

Wieviel Schüler wart Ihr und wie hat sich Eure Klasse zusammengesetzt ?

Wir waren 16 Leute, 7 Männer und 9 Frauen. 11 Handwerker, die z.Tl. schon eigene Betriebe hatten und 5 Indstrielle, davon einer ( Roland unser Klassensprecher ) aus einer Ziegelei in Norddeutschland und 4 von Duravit in Hornberg. Mit den Industriellen hatten wir aber nur am Anfang gemeinsamen Unterricht. Das war schade, denn wir haben uns ausgezeichnet verstanden.

Der Altersdurchschnitt lag so etwa bei 31 Jahren (?)

Welche Teile der Meisterprüfung hast Du in dieser Zeit abgelegt ?

In Stuttgart Teil 2, also die Fachtheorie und Teil 1, also die praktische Prüfung. Einige von der Klasse haben auch noch den pädagogischen Teil, also Teil 4 in Stuttgart absolviert. Teil 3 auch noch in dem einen Jahr wär unmöglich.

Wie hast Du die Schulzeit finanziert ?

Ich habe nebenher meinen Job als Sozialpädagoge in München als Teilzeitarbeit mit 20 Stunden an 2 Tagen weiterbetrieben. Das war aber eigentlich zu heftig.

Viele beantragten auch Meister-BAFÖG, dessen Gewährung aber viel zu lange dauerte. Das System funktioniert noch nicht.

An wieviel Tagen in der Woche hattet Ihr Unterricht ?

So richtig Unterricht gab's von Mittwoch bis Freitag. Montag und Dienstag waren Werkstattage, die auch (überraschend) gut "besucht" waren und vor allem zur Fertigung der Meisterstücke genutzt wurden. Ich konnte da aber wegen meiner Arbeit nicht.

In welchen Fächern ? (Wieviel Stunden in welchem Fach ?)

Das war unterschiedlich und wurde auch teilweise von uns selbst festgelegt. Auf alle Fälle überwog am Anfang die Theorie: Fachrrechnen, Fachtheorie (Glasuren, Massen usw.), technisch und plastisch Zeichnen, unser selbstgestrickter Kunstgeschichte Unterricht und Kalkulation.

Dann gab's natürlich noch den Werkstattunterricht, am Anfang vor allem im Drehen, später dann auch eine sehr durchdachte Baukeramik-Sequenz.

Was hattet Ihr für Lehrer ?

Nun, wir hatten den guten Mathelehrer Giese der uns mit unaufgeregter Selbstverständlichkeit und viel Humor alles Nötige beigebracht hat. ("Wir rechnen halt a bissle"). Dann Herrn Ebendt, der versucht hat, den Unterricht als Diskussionsrunde im Sinne der Erwachsenenbildung zu gestalten. Leider hatte er zu viele Ideen für das kurze Jahr. ("jetzt tät ich sagen nehma mal des Buch und schaun, was da drinsteht").

Entscheidend aber ist der Klassenlehrer Thomas Scholl, der letztlich als Kapitän des Unternehmens die ganze Verantwortung und den gesamten restlichen Unterricht übernahm. Vom Zeichnen, Kunstgeschichte, Kalkulation bis zum Gipsen, Drehen, Baukeramik. Von der Rohstoff bis zu Maschinenkunde... letztlich halt fast alles.("So, des hemma gschwätzt!")

Außerdem gab's dreimal einen Gastlehrer, Herrn Lenschow, der uns bei der Design-Entwicklung half ("Nicht Strukur, Textur!")

Wo lagen die Schwerpunkte ?

Eindeutig bei der Glasurentwicklung und beim Drehen. Intensiv war auch die Projektarbeit zur Glasurentwicklung.

Wie ist die Werkstatt ?

Eben nicht supergeil und abgehoben, sondern realistisch, wie in einem mittleren Betrieb. Töpferscheiben, Brennofen, Spritzkabine. Schwere Schlagtische. Schlau gemachte Glasur-Laborwägen.

Weniger toll finde ich den Tonkeller und die dort praktizierte staubige Art der Tonaufbereitung.

Etwas mehr Atmosphäre könnte die Werkstatt schon haben, aber in Schwaben steht man eben auf Sachlichkeit.

Ist die Werkstatt exclusiv für die Meisterschüler/innen ?

Nein. Da tummelten sich auch noch die Berufsschüler und eine muntere Klasse von Leuten, die das Berufs-Vorbereitungs-Jahr machen. Mir hat dieses Nebeneinanderher (oft wurde auch zur gleichen Zeit von verschiedenen Gruppen gearbeitet) gut gefallen.

Konntet Ihr in die Werkstatt, wann immer ihr wolltet ?

Tagsüber ja, aber um 16.30 schließt der Hausmeister gnadenlos ab. Am Wochenende geht auch gar nichts.

Hattest Du Schülergefühle, oder war es eher wie eine Fortbildung für Erwachsene ?

Obwohl uns der Lehrer Tom stets als Erwachsene behandelt hat (wobei immer klar war, wer der Chef ist), entwickelten wir immer mehr typische Schülereigenschaften. (Unselbständigeit, Nikotinkonsum, Blödeleien...) Es ist halt auch eine richtige Schule mit 2000 Schülern. Es bimmelt und man muß Klassensprecher wählen und Schulaufgaben schreiben.

Was die Gestaltung und Organisation der Werkstattarbeit betrifft (Tonmachen, Brennöfen einbauen, Blätterstöcke aufschlagen, Putzen...) so mußten wir das selber organisieren. Das hatte dann manchmal fast etwas von einem großen Betrieb.

Mußtet Ihr viel "Blödsinn" lernen ?

Soweit der Blödsinn prüfungsrelevant war (z.B. Henkelschnitzen): ja.

(Wobei natürlich die Frage bleibt, ob nicht das Ganze ein Blödsinn ist, wenn man an die Absatzchancen für Bodenvasen über 40 cm Höhe denkt...)

Was hat Dir gefehlt ?

Das ist schwer zu sagen, denn eigentlich gab's wirklich nicht die Zeit für noch mehr.

Was in der Schule fehlt, und das halte ich für skandalös, ist eine gute Bibliothek mit Keramikfachbüchern.

Außerdem denke ich, mit dem gleichen Recht mit dem man die berufsspezifische Kalkulation für wichtig hält, könnte man den Teil 4 der Prüfung noch einmal keramisch aufarbeiten und sich überlegen, wie man das Töpferhandwerk eigentlich einem Lehrling vermitteln kann.

Schließlich hat die Keramik hier mindestens so viele Eigenheiten (denke nur an die untypische Alters- und Bildungsstrukur der Keramiklehrlinge!!), wie in der Kalkulation.

Vor allem hat mir Zeit gefehlt. Zum Experimentieren, für mehr Exkursionen, mehr Kontakte zu den interessanten anderen Bereichen der Fachschule für Farbe und Gestaltung, deren Teil ja die Keramikmeisterschule ist; mehr Kontakte in die Keramikwelt, z.B. zur fast benachbarten Keramikklasse der Stuttgarter Kunstakademie. Aber das wäre eben auch nicht prüfungsrelevant...

Vielleicht hätte eine 2-jährige Schule ja doch auch ihr gutes.

Gab es Konkurrenzgefühle unter den Schülern/innen ?

Höchstens subtil und unausgesprochen, oder in Ironie verkleidet. Nein, insgesamt hatten wir wirklich eine gute Klassengemeinschaft.

Ging es nur um den Meisterbrief, oder war Zeit für den "Blick über den Haferlrand ?"

Mir persönlich ging es die ganze Zeit viel zu sehr um die Prüfung. Ich glaube, daß in der Keramik andere Sachen eine wichtigere Rolle spielen. Die Schule würde ja eine Chance bieten, Dinge auszuprobieren, die weder für Prüfung, noch für den "Markt" eine Rolle spielen.

Immer wieder war die Prüfungsrelevanz einziges Kriterium... Man muß aber zugute halten, daß wir vieles gelernt haben, was trotz Prüfungsrelevanz auch für den Berufsalltag brauchbar ist...

Wie war der Prüfungsfahrplan ?

Ende April Zeichnungsabgabe: abgzugeben war eine technische Zeichnung der Meisterstücke sowie eine Beschreibung und eine Vorkalkulation; dann Schaumeistertermin, Anfang Juni Fachtheorie-Prüfung und Mitte Juli Praxis, dann auch Abgabe der Meisterstücke nebst plastischer Zeichnung und Nachkalkulation.

Hattest Du das Gefühl, gut auf die Prüfung vorbereitet worden zu sein ?

Ja.

Was entstanden denn so für Meisterstücke ?

Fast alles war gedreht, aber weniger Krüge, sondern eher Dosen und so. Das lag daran, daß im letzten Jahr hauptsächlich Krüge entstanden waren und wir dies ein bißchen eintönig fanden.

Die erwartete Perfektion (bzw. die Angst davor) führt ja insgesamt zu eher langweiligen Meisterstücken.

Bei der Prüfung hatte ich dann eigentlich den Eindruck, daß den Prüfern ungewöhnliche Stücke ganz gut gefielen...

An Baukeramik hat sich nur unser "Externer" gewagt, er hat einen beheizten Sessel gemacht.

Wie hat nach Deinem Eindruck die Zusammenarbeit zwischen Ausschuß und Schule funktioniert ?

Gut.

Wer denkt sich eigentlich die Fragen aus, wer wählt die Aufgaben ?

Die Fragen denkt sich wohl der Lehrer Scholl aus, bzw. er schlägt dem Ausschuß einen Katalog zur Auswahl vor.

Die praktischen Aufgaben sind ja weitgehend vorgegeben; also, wenn keine Gipsscheiben vorhanden sind, muß wohl kaum Gips gedreht werden usw. Von wem die Baukeramik-Aufgabe kam, ahne ich, bei den zu drehenden Krügen wechseln sich die Ausschußmitglieder offensichtlich bei der Formvorgabe ab. Diesmal war's Schließler, das nächste mal also Widmann ?

Wurdet Ihr bei der Prüfung fair behandelt ?

Ja. Vor allem wußten wir, was in etwa auf uns zu kam, was wir vorzubereiten und mitzubringen hatten. Das scheint ja nicht überall selbstverständlich zu sein; wenn ich daran denke, daß z.B. die Prüflinge in Landshut auf die gleiche Frage, wie die nach der Mitbewertung der Zeichnungen, von verschiedenen Ausschußmitgliedern verschiedene Antworten bekommen... Das gäb's in Stuttgart nicht. Vielleicht aber auch nur, weil es eben den einen gibt, auf den sich alle verlassen und der zu seinen Aussagen steht!

Geärgert hat uns, daß die Korrektur der Theorieaufgaben so lange gedauert hat, daß keine Zeit mehr blieb, sich ggf. ordentlich auf die mündliche Prüfung vorzubereiten.

Kannst Du Dich noch an die Fragen in der theoretischen erinnern ?

Du fragst Sachen...; Die Prüfung lief unter wahnsinnigem Zeitdruck ab und da hatte ich nicht die Power, mir schnell aus dem Gedächtnis die Fragen zu notieren, das tut mir hinterher auch leid. Aber: Wir haben vor der Prüfung so eine Übungsprüfung gemacht. Was da gefragt wurde, weiß ich noch. Ich biete an: Wer mich anruft (08153/3214) dem fax ich die Fragen. Damit hat man wenigstens eine Vorstellung was und in welchem Umfang da verlangt wird. Die Zeiten, in denen sich die Meister- kaum von der Gesellenprüfung unterschied sind nämlich vorbei!

Was wurde in der Praktischen Prüfung verlangt ?

Die Praktische Prüfung dauerte 2 Tage! Wir mußten eine 50x50 cm große Platte zuschneiden und verstegen, ein komisches kompliziertes Vasenobjekt bauen (nach Zeichnung), eine Krugserie (30 cm hoch, ziemlich bauchig) nach Zeichnung drehen (das war das stressigste), einen Gipshenkel schnitzen, die 50x50-Platte plastisch dekorieren und selbstgedrehte Vasen bemalen.

Wie war das mit der "Mündlichen" ?

In die mündliche Prüfung mußten alle, die in der Fachtheorie insgesamt schlechter als 2,5 hatten. Hier kam es gerade für die, die auf der Kippe standen, zu unerträglich langen Wartezeiten. In diesem Punkt war die Prüfung unmenschlich.

Hattet Ihr Gelegenheit mit dem Ausschuß über Eure Meisterstücke zu sprechen ?

Nein.

Wurdet Ihr über die Prüfungsergebnisse detailliert informiert ?

Nein. Irgendwie ist es unerwünscht; jedenfalls ist die Einsicht in die Prüfungsarbeiten sehr bürokratisch geregelt, so daß man davor zurückschreckt.

Wieviel % haben bestanden ?

Letztlich alle, bloß ein Prüfling hatte Pech mit einem Riss in der Schale und muß die Meisterstücke im nächsten Jahr noch mal machen. Man muß nämlich ggf. nur den Teil der Prüfung noch mal machen, den man nicht geschafft hat.

Wie es den Industriemeisterschülern ergangen ist, haben wir dann gar nicht mehr mitbekommen; die hatten ja eine ganz eigene Prüfung erst im Herbst in Kassel.

Gab es externe Prüflinge ?

Nur einen in der praktischen Prüfung, die Theorie hatte der schon in Höhr gemacht.

Wenn ja: wie gings dem ?

Gut!

Hätten Externe denn bei der theoretischen Prüfung eine Chance gehabt ?

Bei dieser Prüfung wohl nicht, denn sie war sehr auf Unterrichtsinhalte in unserer Schule zugeschnitten. Ich halte den Ausschuß allerdings für so fair, daß die Prüfung etwas anders ausgesehen hätte, wenn jemand extern angetreten wäre. Kann aber auch sein, daß sich in Baden-Württemberg schon gar keiner mehr traut, extern anzutreten. Mindestens hätten die Externen aber unseren Übungsfragenkatalog haben müssen, um eine Chance zu haben. Ob das gewährleistet wäre, weiß ich nicht. Auf alle Fälle würde ich einem Externen empfehlen, so früh und so viel wie möglich den Kontakt zur Schule und zu den Schülern zu pflegen.

Hältst Du das Modell der "anderen Meisterschule" für übertragbar ?

Ich fürchte: nein. Denn letztlich, seien wir ehrlich, ist dies eine Privatschule unter staatlicher Haube. Mit einem fast manisch arbeitenden Lehrer. Ich glaube nicht, daß es noch jemanden gibt, der bereit ist, dermaßen viel auf seine Schultern zu laden.

Wie war denn nun das Gefühl danach ?

Erstmal phantastisch, befreit, glücklich. Das hielt wochenlang; (von wegen Loch, in das man fällt.) Auch, weil die elende wöchentliche Stuttgart-Fahrerei beendet ist.

Allmählich stellen sich andere Gefühle ein:

1. Ich hab Angst vor dem vergessen und verlernen dessen, was ich in Stuttgart gelernt hab und weiß noch nicht, was ich da aktiv dagegen tun kann. Am liebsten würde ich ja einen Lehrling nehmen, das würde fit halten.

2. Mir fehlt die Gruppe, mit der ich 1 Jahr lang so intensiv zusammen war, der ständige Austausch, das gemeinsame lästern, die Zigaretten auf der Treppe, die gemeinsamen Feuerbacher-Kommunen-Mahlzeiten, das Schülerleben eben. Auch der Lehrer fehlt mir. Ich hab ihn in dem Jahr sehr zu schätzen gelernt. Rein menschlich war's zu kurz.

Insgesamt hab ich auch das Gefühl, es hätte sich jetzt mehr ändern müssen im Berufsleben. Naja, kann ja noch.

Was machst Du jetzt mit dem Zettel?

Der liegt hübsch eingerollt im Regal.

Wenn Du's noch mal machen müßtest, was würdest Du anders machen ?

Ich würde mich noch mehr drauf einlassen, sprich versuchen, Montags und Dienstags nicht zu arbeiten, sondern die Tage als Werkstattage oder zum Lernen zu nutzen. Und ich würde als Meisterstück etwas baukeramisches machen, z.B. einen überschlagenen Kachelofen...

Trefft Ihr Euch mal wieder ?

Haben wir schon! Jedenfalls die Hälfte der Klasse, beim Kalkspatz-Überschlagseminar in Angersdorf !

Demnächst werden wir auch unsere Meisterstücke in Stuttgart abholen, die dort noch ausgestellt sind. Bin gespannt, zu sehen, wer jetzt dort in die Schule geht...

Vielleicht wird ja auch etwas aus der Idee, daß sich Ex-Schüler bei besonders interessanten Referaten mal wieder in der Schule treffen...

Was war das Schlimmste ?

Der Kater nach dem Besuch der Besenwirtschaft.

Was hat Dich, alles in allem, am meisten beeindruckt ?

Der Umgang unseres Lehrers Thomas Scholl mit seinen Schülerinnen und Schülern.