Was passiert, wenn nichts passlert?

Bericht zur diesjährigen Neuwahl des bayerischen Gesellenausschusses

von: Conny Hollube

Durch die eindringliche Einladung an alle Gesellen", die die bayerische Innungsobermeisterin Edith Memmel anläßlich der Frühjahrestagung 98 aussprach, wurde wieder einmal auf das immer wiederkehrende Problem "Gesellenausschuss" im Keramikhandwerk aufmerksam gemacht.

Der kalkspatz e.V. - ein ursprünglich von und für Töpfergesellen gegründeter Verein - fuhr nach Lindau, um zu sehen, zu hören und zu diskutieren. Ein dem Innungsschreiben beigefügtes, Merkblatt (Nr.l) sollte über Rechte und Pflichten des Gesellenausschusses aufklären und motivierte, engagierte Gesellen locken. Leider waren am Abend dann tatsächlich zwei Gesellen von ca. 20 Teilnehmenden an der Diskussion (Meister des Handwerks / Lehrer in Landshut) anwesend.

Die lnnung hat Nachwuchsprobleme -Warum soll es ihr auch anders gehen als den meisten Vereinen? Schwierig nur dann, wenn aus Gründen der, nennen wir es mal "Sozialen Gesundheit", eine Mitarbeit der Jugend vorgesehen/vorgeschrieben ist und auch sinnvoll wäre.

Nochmal zum "Merkblatt Nr.l" - ein informatives Blatt, dass alle Innungsbetriebe im Februar geschickt bekommen haben, und das die Aufgaben, Pflichten und Rechte des Gesellenausschusses innerhalb des dualen Ausbildungssystems darstellt. Da wird zum einen der Zweck des Gesellenausschusses erklärt - "die allgemeine Erhaltung und Herbeiführung eines guten Verhältnisses zwischen den Innungsmitgliedern und deren beschäftigten Gesellen". Zum anderen auch detailiert aufgezeigt, bei welchen Angelegenheiten

Regelung der Berufsbildung

Förderung und Oberwachung der beruflichen Ausbildung

Förderung der charakterlichen Entwicklung der Lehrlinge

Errichtung des Gesellenausschusses

Förderung des handwerklichen Könnens der Gesellen

Mitwirkung bei der Verwaltung der Berufsschulen (Rahmenlehrplan)

der Gesellenausschuss aktiv werden sollte/müsste/könnte.
In welchen Ausschüssen der Geselle" gesetzlich bzw. satzungstechnisch vertreten sein muss:

Ausschuss für Berufsausbildung

Ausschuss für Lehrlingsstreitigkeiten

Gesellenprüfungsausschuss

Soweit die Fakten. Schwierig komplizierte Sachverhältnisse und Zusammenhänge einfach darzustellen. Ein Versuch: Die Aufgaben des Gesellenausschusses sind wichtig für die "soziale Struktur" innerhalb der Innung, wichtig für die Lebendigkeit des dualen Ausbildungssystems im Handwerk (Frage am Rande: Welche Rolle wird das duale System zukünftig innerhalb der EU und im immer globaler werdenden Arbeitsmarkt spielen?).

Fakt ist auch, den Gesellenausschuss als motivierte, aktive Gruppe in der Keramikerinnung gibt es nicht. Es besteht zwar - da er für wichtige Ausschüsse zwingend erforderlich ist (siehe oben) - ist aber nicht lebendig ("Scheinfirma"). Deshalb auch schwierig - eine Neuwahl des Gesellenausschusses. Noch schwieriger, wenn keine Gesellen da sind, die zu wählen es gelte. (Übrigens die Neuwahl des Gesellenausschusses wurde auf die Innungsversammlung im Herbst ver-tagt...).

Aus dieser Sachlage heraus, kam Edith Memmel auf den kalkspatz zu, mit dem Gedanken an eine eventuelle, zukünftige Zusammenarbeit im Gesellenausschuss. Wir waren bereit und diskutierten über Möglichkeiten und Wege und kamen zu dem Schluss, dass der gemeinsamen Arbeit in erster Linie nur eines im Wege steht: Gesellen und Meister, die im Gesellenausschuss aktiv werden möchten, müssen in Innungsbetrieben angestellt sein. Wenn man diese, durch die Satzung und Handwerkskammer festgelegte, Schwelle überschreiten könnte, stünde einer Zusammenarbeit von Innung und kalkspatz im Gesellenausschuss nichts im Wege.

Edith Memmel trug am nächsten Tag bei der Vollversammlung der Innung dieses Problem vor - und leider stellte sich dabei heraus, dass die Hürden nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern auch in den Köpfen der Menschen. Die Innung als Gesamtheit möchte keine Zusammenarbeit mit "Nichtinnungs-Mitgliedern". Beiträge werden gezahlt, Geld fließt und Prüfungen werden abgenommen. Über 50% der Prüflinge in der Berufsschule Landshut sind nicht in Innungsbetrieben - und profitieren trotzdem von der Innung!

Schade - mir fehlen die Worte zu solcher Engstirnigkeit. Der Tellerrand scheint doch recht hoch.

Dabei sollte es doch um den Fortbestand des Keramikhandwerkes gehen, den Berufsstand des Töpfers, die Erhaltung einer qualitativ hochwertigen Ausbildung, um die Lebendigkeit der Keramik Struktur ist existent und wichtig, aber verändert sich. Und die Innungsbetriebe dürfen den Punkt nicht übersehen, an dem es notwendig wird, die Gefüge um die Struktur herum zu ändern - für die Erhaltung und Erschaffung des lebendigen Handwerks. Viele Betriebe werden von größeren industriell orientierten Betrieben geschluckt. Alte traditionelle Handwerke wie Weber, Schlosser, Kupferschmiede, Backofenbauer usw. sterben aus. Kultur geht verloren.

Warum ist die Situation so wie sie ist? Was muss und kann getan werden, um sie ändern?
Was passiert, wenn nichts passiert?
Viele Fragen bleiben offen. Man darf gespannt sein.