kalkspatz Töpferblatt 2 '97

Briefe aus Japan / part 2

...dann fahre ich zurück nach Japan - yeah!
mit einem Kulturvisum haha!!!

von Elisabeth Obermayer an Günter Haltmayer

...man braucht tatsächlich bis zu drei Monaten kein Visum. Europäer können ihren Aufenthalt ohne zwischenzeitliche Ausreise auf sechs Monate ausdehnen, indem sie eine Touristenvisumsverlängerung beim entsprechenden Immigrationoffice beantragen. Legales Arbeiten ist damit nicht möglich. Man kann aber im Land eine Stelle suchen und dann entweder ein Arbeitsvisum oder -sicher leichter erhältlich- ein Kulturvisum beantragen. Um diese zu erhalten muß man aber mit dem Antragsformular das Land verlassen, das Visum ausserhalb abholen und neu einreisen.

Bleibt noch, einen geeigneten Keramiker zu finden. Die Vielfalt der verschiedenen Stile ist enorm und verwirrend, ausführliche Literatur ist aber im deutschsprachigen Raum kaum aufzutreiben. Dafür gibt es jede Menge, teils auch in englischer Übersetzung und zu erschwinglichen Preisen in Japan selbst. Wirklich jedem, auch dem daheimgebliebenen› Töpfer, möchte ich folgendes Buch empfehlen: The Japanese Pottery Handbook von Penny Simpson, einer Keramikerin aus Devon, die in der Gegend von Kyoto ein Praktikum machte und eine Art keramisches Bilderlexikon für Keramiker verfaßt hat, zweisprachig, sogar in japanischen Schriftzeichen, in dem sie Werkzeug, Stile und Techniken beschreibt. Wo die Sprachbarrieren beginnen, ist dieses Buch geradezu ein Beitrag zur Völkerverständigung. Außerdem sehr informativ, mit guten Adressen über Museen und Töpferfestivals.

Nun kann man natürlich mit diesem Buch unterm Arm diverse Töpfereien abklappern, ich würde aber davon abraten. Auf eigene Faust im Alleingang erreicht man in Japan sehr wenig, von der Art wie man eingeführt wurde hängt dann auch ab, was man gezeigt bekommt und was nicht. Wichtigere Dinge rate ich mit Hilfe eines Vermittlers - nicht nur zum Übersetzen! - zu unternehmen. Man kann sich ganz einfach durchfragen, Japaner sind sehr hilfsbereit und fast jeder kennt irgendeinen Töpfer, wenn auch nicht jeder die Möglichkeit hat, einen Europäer anzulernen. Ich hatte das große Glück, nach einigem Suchen von einem Bekannten einem Keramiker außerhalb Kyotos vorgestellt zu werden, der mir anbot, bei ihm zu töpfern.

Er macht große Schüsseln und Krüge im Bizen-Stil und japanische Gebrauchskeramik. Als erstes lernte ich japanisches Drehen, das heißt im Schneidersitz an einer im Boden eingelassenen Scheibe und zwar im Uhrzeigersinn. Angenehm für den Rücken, aber für die europäischen Knie gewöhnungsbedürftig! Als nächstes statt den Ton zu schlagen ihn per sogenannten Kikumomi, dem Spiralkneten, aufzubereiten. Mir fallen die japanischen Techniken leichter und ich fabriziere nun riesige Stücke von denen ich früher nicht einmal geträumt hätte!

Neben einem großen Ölofen, einem Gas- und einem Elektroofen besitzt mein Meister noch einen Hangofen etwas außerhalb der Siedlungen in den Bergen. Dies ist eine selbstentworfene Kombination aus Noborigama und Anagama und wird zweimal pro Jahr, im Frühjahr und im Herbst, gebrannt. Die ganze Prozedur dauert etwa zwei Wochen. Die luftgetrocknete Ware wird verpackt und per Jeep zum Ofen gebracht, dort ausgepackt und die zu glasierenden Stücke in zwei Tagen glasiert. dann wird das Brennholz gebracht - für einen Brand zwei (überladene) Laster voll. Es sind ausschließlich Kiefernscheite, die Bäume werden allein für diesen Zweck gepflanzt. Das Holz abzuladen und aufzuschlichten nimmt wieder einen halben Tag in Anspruch.

Die langwierigste und wichtigste Arbeit ist das Einräumen der Waren in den Ofen und dauert etwa drei bis vier Tage. Der Ofen besteht aus einzelnen Kammern, die mit Feuerventilen verbunden sind (was japanische Konstrukteure heutzutage nicht so alles erfinden ; Anmerkung der Redaktion). Innerhalb der Kammern herrschen unterschiedliche Temperaturen, auf die die verwendeten Glasuren abgestimmt sind. Der ideale Durchzug durch die einzelnen Kammern wird vom Anordnen der Ware bestimmt, denn die Hauptfeuerung kommt von einem einzigen Vorraum, dem sogenannten Dogi. In die anschließenden Kammern kann man nur seitlich einzelne Scheite zum Temperaturausgleich einwerfen. Der eigentliche Brand dauerte im vorderen Noborigama mit der glasierten Ware zwei Tage, in denen sich der hintere Anagama-Teil mit den unglasierten Stücken schon mit aufheizt. Er wird anschließend noch drei Tage lang extra befeuert, wenn der Noborigama-Brand schon fertig ist. Man befeuert Tag und Nacht im Schichtdienst und campiert in einem kleinen Bungalow hinter dem Ofen. Hier hatte ich einige Diskussionen (japanisch-höflich wohlbemerkt!) zu meistern, ob es mir als Frau gestattet werde, mit den übrigen Männern (7 an der Zahl, also noch drei in meiner Schicht) in einem Raum zu nächtigen. Japan ist in seinem Sittenkodex noch ziemlich traditionell. Aber zum Glück ist mein Meister sehr verständnisvoll! Das Brennen ist natürlich der Höhepunkt und erschien mir wie eine Kombination aus Performance und Dauerparty, mal von der heißen und anstrengenden Arbeit abgesehen. Es wird mit einem Pyrometer und Sichtfenster überwacht, etwa alle drei Minuten werden zwischen drei und sieben Holzscheite nachgeworfen bis man die gewünschte Temperatur erreicht hat. In unserem Fall im Noborigama 1260° und im Anagama 1300°. Ständig kommen Besucher aus der Umgebung, machen Photos und versorgen uns mit japanischen Köstlichkeiten. Wir hatten zur Entspannung sogar einen Videorecorder dabei.

Die letzte Arbeit ist dann das abschließende Kohleeinschaufeln im Anagama für die Bizen -Stücke. Nach Erreichen der Höchsttemperatur wird der Ofen an sechs Luken geöffnet, durch die man etwa eine Stunde lang (dick vermummt gegen die Hitze) Holzkohle über die Keramik schaufelt, was schließlich das typische Design bewirkt. Am Schluß werden alle Luken zugemauert und luftdicht mit Schlicker verputzt. Zehn Tage später ist der Ofen soweit abgekühlt, daß man ihn öffnen kann.

Wir fuhren total verschwitzt und rabenschwarz verkohlt zurück zum Haus, baden und das abschließende Festmahl genießen...


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