Von Imke Prinzhorn und Christian Sautier
mit einem längeren Zitat von Gabi Dewald
Bereits vor einem Jahr kam es zu einer enormen Verschlechterung der rechtlichen Situation volljähriger Lehrlinge. Irgendwie haben wir das total verpennt, aber es kam auch lange keiner auf die Idee, den kalkspatz zu informieren.
Es hieß also, es gäbe für die Berufsschulzeit kein Anrechnungsrecht auf die Arbeitszeit mehr. Der (volljährige) Lehrling soll also die gesamte Berufsschulzeit im Betrieb nacharbeiten? Sprich: Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit um einen,(den Berufsschul-) Tag?
Das wollte so recht keiner wahrhaben. Wer da noch in die Berufsschule ginge, wäre nichts anderes als ein Vollidiot zu nennen. Und wer als Meister einen minderjährigen Lehrling überhaupt erst nähme, wäre ganz schön doof. Nun, ganz so wild scheint´s ja nicht zu sein. Wir haben versucht, verschiedene Faxe (danke, Tom! / danke Herr Schreyer!), - irgendwelche Arbeitgeberverlautbarungen - zu kapieren, aber um die Sachlage auf den Punkt zu bringen muß schon eine richtige Journalistin her.
Deshalb erlauben wir uns, aus dem letzten KeramikMagazin zu zitiere:
Änderungen im JArbSchG Änderungen im Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG), die am 1. März 1997 in Kraft traten, betreffen den Besuch der Berufsschule für über 18jährige. Dabei bleibt das Recht auf Schulbesuch und die Freistellungsverpflichtung (§7 BBiG) seitens des Arbeitgebers bestehen. Aber: Es gilt nicht mehr das Beschäftigungsverbot an Berufsschultagen. Die zur vollen Tagesarbeitszeit (8 bzw. in Ausnahmefällen 10 Stunden) fehlenden Stunden können als Arbeitsleistung eingefordert werden. Gerechnet wird die 45minütige Schulstunden - Pause, Wegzeirten bleiben wie bislang unberücksichtigt. Die Berechnung richtet sich bei Volljährigen jetzt nach dem Arbeitszeitgesetz (höchstzulässige Wochenarbeitszeit 48 Stunden) und nicht länger nach dem Jugendarbeitschutzgesetz (höchstzulässige Wochenarbeitszeit 40 Stunden), wobei die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber BDA hier empfiehlt, aus "Gründen des Betriebsfriedens" wie bisher nur die 40-Stunden-Woche zu verrechnen. Falls die Wege- und Fahrzeiten an einem kombinierten Schul- und Arbeitstag unzumutbar sind, kann die fehlende Wochenarbeitszeit an Samstages eingefordert werden. Diese Möglichkeit wird inzwischen von ausbildenden Betrieben genutzt. Nicht bekannt dagegen ist bislang eine Anwendung der vom Gesetzgeber vorgesehenen weiteren Verschärfung: Nach Wegfall des §9 Abs. 4 des Jugendarbeitsschutzgesetzes besteht keine ausdrückliche Bestimmung mehr, daß die Berufsschulzeiten von Volljährigen überhaupt als Arbeitszeit anzurechnen ist. In diesem Falle wäre der Berufsschulbesuch für über 18jährige Lehrlinge deren Privatvergnügen - zweifellos das Aus für das ohnehin in der Praxis immer wieder umstrittene duale Ausbildungssystem. Da jedoch der Freistellungsanspruch bestehen bleibt (siehe oben), ist hier die offiziell - vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung und dem Zentralrat Deutsches Handwerk ZDH - empfohlene Lesart das Anrechnungsmodell.
Was tun sprach Zeus?
Nun, manche werden sagen, wir wecken da nur schlafende Hunde.
Dem ist entgegenzuhalten, daß erstens nicht alle schlafen und zweitens irgendwann aufwachen werden. Wir haben da unsere Erfahrungen, gerade was das Berufsbildungsgesetz und die Berufschule betrifft: War es doch lange (nach unserer Auffassung illegale) Praxis mancher Werkstätten, volljährige Lehrlinge überhaupt nur unter der Bedingung auszubilden, daß diese auf die Berufschule von vorneherein verzichten.
Was, auch bei Einhaltung des Berufsbildungsgesetzes möglich erscheint, ist folgendes: Wenn der Berufsschultag kürzer ist als ein Arbeitstag, also beispielsweise nur 6 Stunden, können pro Berufsschulwoche immer noch 8 ½ Stunden zusammenkommen, die der Meister den Lehrling dann samstags antreten lassen kann. Denn eine Bindung an die 5 Tage-Woche gibt's nicht und die gesetzliche Wochenhöchstarbeitszeit beträgt laut Arbeitszeitverordnung 48 Stunden!
Den (zukünftigen) Lehrlingen ist also zu empfehlen:
Sehr genau darauf zu achten, was im Ausbildungsvertrag vereinbart wird.
Insbesondere sollte die Anrechnung der Berufsschulzeiten auf die Ausbildungszeit deutlich vereinbart sein.
Ebenso sollte eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 38 ½ Stunden auf jeden Fall im Ausbildungsvertrag stehen, um zu vermeiden, daß der Lehrling nach den Blockwochen wochenlang samstags antreten muß, nur weil er nachmittags vielleicht keinen Unterricht hatte.
Die Innungsobermeister bitten wir
Ausbildungsverträge nicht zu unterschreiben, wenn ein Nacharbeiten der Berufsschulzeit im Betrieb nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist und keine wöchentliche Höchstarbeitszeit festgelegt ist.
Die Innungen bitten wir
Soweit noch nicht geschehen, ihre Mitglieder darauf zu verpflichten, auf eine Nacharbeit von Berufsschulzeiten und freien Berufsschulnachmittagen grund- sätzlich zu verzichten, Die Lehrlingswarte der deutschen Innungen sollten au0erdem gemeinsam und eindeutig Stellung beziehen.
Den Berufsschulen schlagen wir vor
Die Stundentafel auf 38 ½ Wochenstunden zu erweitern. Dann ist eben jeden Nachmittag Werkstattunterricht (mit freiwilliger Teilnahme). Und schon dauert der Berufsschultag genauso lange wie ein Arbeitstag. Ein Nacharbeitenlassen wäre damit auch bei volljährigen Lehrlingen nicht mehr legal.
Alles wäre ein Todesstoß für das duale System.
P.S. Für minderjährige Lehrlinge hat sich nichts wesentliches geändert.
Falls jemand einen kennt, möge er ihm das bitte ausrichten.