Mein
Auto voll Werkzeug und Eisenwaren glich dem Reparaturwagen einer
Schlosserfirma, als ich es im Hof der „Nymphenburger Schulen“ in
München parkte. Der Seminarleiter Otokar Sliva („Otto“) entpuppte
sich als Mischung aus „g‘schtand‘nem Mannsbild“ und Magier. Er verstand
es, uns die Vorzüge von Paperclay so eindrucksvoll zu schildern,
dass wir darauf brannten, gleich damit zu experimentieren. Im Werkraum
deponierten wir 14 Teilnehmer zusammen mit unseren Gastgebern Christian
und Doris die schon fertig gemischten Paperclayportionen und begannen,
aus dem Hasengitter ein beliebiges Gerüst zu bauen, um es dann mit
der Ton-Zellulose-Masse zu überziehen. Damit begannen bei mir gewisse
Schwierigkeiten. Das aufgerollte Gitter schnellte beim Abschneiden
gefährlich hoch und musste beschwert werden. Mein neuer Seitenschneider
zwickte zwar gut, doch stachen mich die Drahtenden ständig in die
Finger. Unter Schmerzen hatte ich endlich eine Art Rolle zusammengebracht,
die ich als Körper eines Vogels benützen wollte. Ich umkleisterte
sie mit der Masse, deren geschmeidige Beschaffenheit meinen gemarterten
Fingern sehr wohl tat.
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Aber
nun sollte das Paperclay mit dem Handlötgerät getrocknet werden.
Da ich noch nie so ein Gerät in der Hand gehabt hatte und zu Hause
nur die Bedienungsanleitung auswendig gelernt hatte, ließ ich mir
beim ersten Einschalten helfen.
Halbmeterlange
Flammen schössen heraus; ich zuckte zurück, sprang aber gleich wieder
vorwärts, denn auch hinter mir zischte und fauchte es aus sämtlichen
Geräten. Ich gestehe, dass ich an diesem ersten Tag nur sehr widerwillig
damit arbeitete und mir beim Anzünden helfen ließ. Dabei war es
hübsch anzusehen, wie im Paperclay glühende Pünktchen aufleuchteten
und verloschen wie winzige Glühwürmchen.
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Um
die vom normalen Ton ziemlich verschiedenen Eigenschaften zu erproben,
sollte mein Vogel sehr dünne Füße bekommen. Dazu boten sich rostige
Nägel an. Es erwies sich jedoch als schwierig, sie in der Bodenplatte
und im Vogelkörper zu verankern. Ähnliche Probleme hatten aber auch
die meisten anderen, und Otto hatte alle Hände voll zu tun, beratend
und praktisch einzugreifen. Ein bisschen Magie war sicher dabei,
so dass gegen Ende des Abends auf jedem Arbeitsplatz ein mehr oder
weniger aberwitziges Gebilde thronte, das abschließend vom Erbauer
mit drei Sätzen kommentiert und von allen besprochen wurde.
Da
gab es Vögel, einen Drachen, Figuren aller Art, eine Schale und
kleine Bauwerke, die sich in jeder Ausstellung für moderne Plastik
gut ausgemacht hätten.
Am
nächsten Morgen fand ich eine fröhliche Gesellschaft beim üppigen
Frühstück vor; einige hatten hier übernachtet und rühmten die tolle
Gastfreundschaft. Als alle eingetroffen waren, ging es zunächst
um die eigene Herstellung von Paperclay. Wie in einer Alchimistenküche
wurden von den einzelnen Gruppen die verschiedensten Materialien
zerkleinert, eingeweicht, wieder ausgedrückt und mit normalem Ton
vermischt: Clopapier, Zeitung, Papierfilter, Putzlumpen, Teebeutel,
Gras, Laub, Lavendel, Mehl, Semmelbrösel, Erdnüsse und vieles mehr.
Daraus formten wir Probeplättchen.
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Dann
ging es wieder an die Arbeit. Es wurde erneut Gitter geschnitten,
geschweißt, geschraubt und „gebickt“ (Originalton Otto). Heute griff
ich ganz beherzt zu meinem Handlötgerät und siehe da, es formte
brav eine kleine heiße blaue Flamme und tat, was es tun sollte,
ohne feurige Drachenzungen auszuspeien. Ich „bickte“ unter gemurmelten
Zaubersprüchen Draht, Nägel, Schrauben, kleine Glasknöpfe und Paperclay
souverän zum fertigen Vogel zusammen, dass es für mich selbst zum
Staunen war.
Für
die Mittagspause hatten Christian und Ottos Freundin köstliche Nudeln
mit leckeren Soßen mit und ohne Fleisch gezaubert (danke, danke,
danke von allen!). Nach einigen theoretischen und philosophischen
Ausführungen und Rezepten für drei Raku-Glasuren (denn wir waren
ja nicht zum Spaßhaben da) bekamen wir die Aufgabe, die Begegnung
und den Anfang der Liebe zwischen „Rund“ und „Eckig“ darzustellen
und zwar zweidimensional. Die Ergebnisse dieser magischen Beziehung
waren hochinteressant, da grundverschieden und wurden entsprechend
gewürdigt.
Den
Übergang zum gemütlichen Teil bildete ein Volleyballspiel, zu dem
sich jedoch nicht alle aufraffen konnten (auch ich nicht). Nach
dem gemeinsamen Imbiss mit Mani Tille und Frau blieb der harte Kern
noch lange bei Wein, Gesang und Getrommel zusammen.
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Der
nächste Tag brachte die geschrühten Ergebnisse der Paperclay-Probeplättchen.
Mir gefiel am besten der Erdnuss-Versuch: Die Oberfläche sah so
dekorativ zerfressen aus wie Kork. Drei der Teilnehmerinnen bauten
sich nun einen eigenen Raku-Ofen, was auch für uns übrige interessant
war.
Beim
Mischen seiner Glasuren lief Magier Otto zur Hochform auf. In seiner
Hexenküche fügte er nach Gefühl unaussprechliche Grundstoffe zu
geheimnisvollen Mixturen zusammen und rührte mit der Hand kräftig
um. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er heimlich noch Krötenschleim,
Bilsenkraut und Drachenblut hineinstreute, jedenfalls gerieten die
Glasuren zauberhaft schön. Nachdem wir belehrt wurden, etwa ein
Drittel unserer Arbeiten freizulassen und das Verhältnis von Form
und Glasur zu bedenken, machten wir uns ans Glasieren.
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Das
Abendessen (leckere Canapés und Salat) würzte Otto mit launigen
Geschichten über Rakubrände, bei denen er etwa seinen Geruchssinn
oder seine Wimpern verloren hatte oder das sogenannte „Kupferfieber“
bekam.
Dann
verwandelte sich der Vorhof der Werkstatt in einen wahren Hexenkessel,
als die Rakuöfen Feuer spieen, das Sägemehl rauchte und stank, und
die heißen Stücke im Wasser zischten. Entzückensschreie wurden laut,
denn die abgewaschenen Keramiken funkelten in allen Regenbogenfarben.
Den
Höhepunkt bildete die Taufe der drei fertiggestellten Öfen. Jeder
knetete ein kleines Brennmännchen, das auf den Deckel des gefüllten
Ofens als Weihegabe gelegt wurde. Die Erbauer schütteten ein alkoholisches
Getränk (es wurde langsam knapp) in ihren Ofen, tauften das Gerät
auf „Red Bull“, „Zenzi“ und „Fritzchen“, und wir stießen darauf
an.
Kaum
zu glauben, dass all dies in knapp zweieinhalb Tagen zustande gebracht
worden war (es war Zauberei im Spiel) – und schließlich waren wir
ja nicht zum Spaßhaben da.
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